Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)
am Himmel erschienen. Der Mond, der höhnisch auf die Stadt herablächelte, schien sich selbst zu gratulieren, dass er die Beinahe-Apokalypse überlebt hatte. Der Wind blies ein letztes Mal angewidert über den See, bevor er zu einer milden Brise wurde.
John trat vom Fenster weg und ließ den Vorhang wieder zurück an seinen Platz fallen. Mit der Zeit hatte er das Gefühl bekommen, ein Voyeur der merkwürdigen Schlachten der Darkyn zu sein, aber er war sicher, dass sie sich diese auch untereinander nicht erklären konnten.
Depressionen drückten ihn nieder. Er sollte nicht hier sein und sich das ansehen. Er war ein Mensch, und Alexandra war es nicht. Es wurde Zeit, das zu akzeptieren und das, was mit ihm passierte.
MorgenwürdeerJausnichtdavonüberzeugen,mitihmzumErzbischofzugehen.Hightower,immerdaraufbedacht,einLügengespinstumseinenZiehsohnzuweben,hättesichanjedemOrtmitihmgetroffen.AberJohnwaresleid,sichandenletztenRestseinesVerstandeszuklammernundumdieWahrheitzukämpfen.DieWahrheitwarhässlichundschmerzhaftundzerstörtezuviel.SiehatteJohndenGlaubenundseinenSeelenfriedengenommen.Siehatteihngezwungen,sichmitMonsternzuverbünden.SeinemaltenMentorgegenüberzutretenundendlichzuerfahren,wasdieBrüderihmundAlexangetanhatten,würdeihnvielleichtendgültigwahnsinnigwerdenlassen.
Er spürte, wie sein geschrumpfter Magen sich zusammenzog und ihm Schweiß über das Gesicht rann. Er musste duschen und etwas essen. Er ging ins Bad und trat an das Waschbecken, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen.
Dann richtete er sich auf und starrte in sein blasses Gesicht. Nach dem Angriff lag ein merkwürdiges Licht in seinen Augen; er sah immer noch fiebrig aus. Er schloss die Augen, als Schmerz sich von seinem zusammengezogenen Magen in seine Brust ausbreitete.
Seine Zeit wurde knapp.
John wusste, dass er hier nicht bleiben konnte, nicht, wenn er starb. Und so, wie seine Schwester sich verhielt, seit sie seine Malaria entdeckt hatte, und so wie er sich jetzt fühlte, war das Ende nahe. Er hatte Alexandra genug Schmerz zugefügt; er würde sie nicht zwingen, ihm beim Sterben zuzusehen und sich Vorwürfe zu machen, weil sie ihn nicht retten konnte.
Die Konfrontation unten am See hatte die Wachen abgelenkt, und das machte es John leicht, sich aus dem Haus zu schleichen. Er ging zu Jaus’ großer Garage, nahm einen der säuberlich beschrifteten Schlüssel aus dem Regal an der Wand und stahl einen seiner Porsches.
John fuhr nach Norden aus der Stadt hinaus und hielt nur einmal an, um nach dem Weg zur St.-Benedikt-Adoptionsagentur zu fragen. Er parkte auf der anderen Straßenseite und sah zwei Streifenpolizisten, die mit einer besorgt aussehenden Frau in einem schwarzen Kleid und einem abgeänderten Nonnenschleier über dem silbernen Haar redeten. Als die Frau über die Straße blickte, startete John den Porsche und fuhr davon.
Ihm wurde klar, dass Sonntag war, als er eine Gruppe von Leuten in eine Methodistenkirche gehen sah. Die Familie hatte vier kleine Mädchen, von denen jedes ein Rüschenkleid und einen Blumenhut trug. Noch mehr Leute folgten, und John erkannte, warum der Gottesdienst so gut besucht war, als er das kleine Schild auf der Wiese vor der Kirche entdeckte. Es war Palmsonntag, eine Abendmahlsfeier.
Wie lange hatte er nicht mehr im Haus Gottes gebetet?
John stellte seinen Wagen auf dem vollen Parkplatz ab und folgte den Gläubigen in die Kirche. Alles, was er über die Methodisten wusste, war, dass sie gerne sangen und aßen. Er versuchte nicht, sich in der vollen Kirche zu setzen, sondern stellte sich nach hinten. Die Bänke füllten sich schnell, und Nachzügler mussten sich neben ihn stellen.
Der Altarraum war wunderschön. Töpfe mit Lilien zu Ehren des nahenden Osterfestes schmückten die Reihen und den Altar. Ein ein Meter hoher Hase stand neben dem Altar und hütete einen riesigen Korb mit bunten Plastikeiern. Ein riesiges Kreuz aus Aluminium hing über dem Altar, aber der Körper des Heilands fehlte. Stattdessen wand sich eine stilisierte rote Flamme um das Kreuz, ein angenehmeres Symbol für das Opfer, das Gottes Sohn für die Sünden der Welt gebracht hatte.
»Sind Sie zum ersten Mal hier, mein Lieber ?« , fragte ihn eine lächelnde ältere Dame in einem pastellblauen Twinset mit Perlenkette. Als John nickte, klebte sie einen Aufkleber mit einem lächelnden Gesicht und dem Wort Besucher auf Johns Jackenaufschlag. »Nach dem Gottesdienst findet im Gemeindezentrum ein Frühstück statt « , sagte
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