Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)
danach nicht mehr zu schlafen, sondern fuhr stundenlang durch die leeren Straßen von Monterey und drehte das Radio des Mietwagens so laut auf, dass es ihn vom Denken abhielt.
Nebel zog langsam vom Meer herein und hüllte die Wohnungen und Häuser und Anwesen in feuchte, weiße Wolken. John fuhr an einem uralten VW -Käfer vorbei, dessen verbeulte, rostige Karosserie immer noch Reste der psychedelischen Kunst trug, die ein bekiffter Hippie vor vierzig Jahren mit der Hand daraufgemalt hatte. In der Parklücke daneben glänzte ein roter Maserati, ein schlafender Dämon auf Rädern, auf dessen Nummernschild stand: 2 FAST 4U. Zu schnell für dich .
Das ergab für John einen merkwürdigen Sinn. Alles passierte zu schnell.
Er fuhr zu der kleinen Militärbasis auf dem Hügel vor der Stadt und parkte vor den Toren. In ein paar Stunden würde ein einsames Signalhorn um genau sechs Uhr durch die Luft tönen und die Studenten der Militärakademie aus ihren Schlafsälen treiben. Einige würden den steilen Hügel hinunterlaufen, um in der Stadt zu frühstücken, während andere in die Kantine schlendern würden, um dort mit leisen Stimmen die zungenbrecherischen Dialoge für ihre Arabisch-, Russisch-, Koreanisch- und Chinesisch-Kurse zu üben.
Aber jetzt lagen die Sprachstudenten der Presidio-Militärbasis und die Besitzer des VW s und des Maseratis noch schlafend in ihren Betten und waren sicher, dass alles genau so war, wie es sein sollte, und dass die Welt sich weiter drehen würde, so wie sie es immer getan hatte, vom Tag zur Nacht und von der Nacht zum Tag.
Keiner von ihnen, da war John sicher, träumte von Ratten oder Vergewaltigung.
Endlich war es Zeit, den Hügel hinaufzusteigen. John fuhr so weit es ging über die unbefestigte Straße und holte dann seinen Koffer aus dem Mietwagen und ging den Rest des Weges zu Fuß. Er wartete an dem vom Blitz getroffenen Baum, den er als Treffpunkt ausgewählt hatte. Ein paar Minuten später hielt eine Limousine auf der unbefestigten Straße unter ihm. John wartete, bis er seine Schwester, ihren Geliebten und ihren Leibwächter aussteigen sah, bevor er seine Taschenlampe anknipste.
»Johnny ?« , rief Alexandra und beschirmte ihre Augen mit der Hand, als sie die Anhöhe hinaufging.
Für einen Moment glaubte John, das kleine Mädchen zu sehen, dessen winzige Hände ein SnoCap aus der Schachtel holten und mit Babyzähnen von dem Liebesperlenplätzchen abbiss. Dann wurde sein Blick wieder klar, und er sah Alexandra, die Frau in dem grünen Seidenkleid.
Nein, keine Frau mehr. Ein Vampir.
Sie kamen, seine Schwester, ihr Liebhaber und ihr Leibwächter, und blieben ein paar Meter vor ihm stehen. Ihr Misstrauen machte ihn nicht wütend, nur traurig. Früher wäre seine Schwester zu ihm gelaufen und hätte ihre Arme um ihn geschlungen und ihm tausend Fragen gestellt. Jetzt, nach allem, was passiert war, blieb sie auf Distanz und hielt Michael Cypriens Hand. Er musste sie nicht ansehen, um zu wissen, dass ein zurückhaltender Ausdruck in ihren Augen lag und dass ihr Gesicht verschlossen sein würde, genau wie sein eigenes.
Die vermischten Düfte von Lavendel und Rosen verhöhnten ihn, genauso wie der Anblick der Finger seiner Schwester, die mit Cypriens verschränkt waren.
Aber so waren die Dinge nun mal. Dass John zu einem Großteil den Bruch zwischen ihnen verursacht hatte, und das alles für eine Berufung, die er inzwischen als sinnlos abgetan hatte, machte ihre Entfremdung nicht leichter zu ertragen.
»Der Wachdienst wird in fünf Minuten hier vorbeikommen « , erklärte er. »Wir beeilen uns besser .«
Cyprien sagte etwas in altem Französisch zu seinem Leibwächter, der zur Limousine zurückkehrte. Zu John sagte er: »Philippe wird sich um den Wachdienst kümmern .«
John mochte Michael Cyprien nicht. Er hatte nie etwas mit den Darkyn zu tun haben wollen, nicht nachdem sie ihm seine Schwester genommen hatten. Aber die Brüder mussten aufgehalten werden, und er kannte niemand anderen mit der Macht und den Mitteln, das zu tun. Die Funktionäre der echten katholischen Kirche würden ihm ohne Beweise niemals glauben, und der Orden hatte ihre Reihen derart infiltriert, dass man nie wusste, wem man vertrauen konnte.
»Du siehst furchtbar aus « , sagte Alexandra und ließ Cypriens Hand los, um auf ihren Bruder zuzugehen. Sie schnupperte an ihm. »Und du riechst noch furchtbarer. Wann hast du das letzte Mal was gegessen oder gebadet ?«
Er konnte ihr nicht sagen, dass er es nicht
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