Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
versuchte, Alex konnte ihre Geschichte niemandem erzählen, vor allem keinem Psychiater, der sie sofort in eine geschlossene Anstalt einweisen würde. Es gab Gesetze, die eine Zwangseinweisung erlaubten. Verrückte Menschen mussten auch geschützt werden. Bin ich tatsächlich verrückt geworden? Eine Gefahr für mich selbst?
Graces Stimme, warm und besorgt. Wann hast du zuletzt etwas gegessen?
Alex setzte sich auf und sah sich im Spiegel an der Wand gegenüber an. Sie hatte noch mehr Gewicht verloren, aber sie war sicher, hin und wieder etwas gegessen zu haben. Ihre letzte vollständige Mahlzeit war so furchtbar gewesen, dass sie sich an jeden Bissen erinnerte: fade Makkaroni mit Käse, pampiger Brokkoli, ein Stück Gewürzkuchen, eine kleine Packung fettarme Milch. Sie hatte sich gezwungen, die Hälfte davon zu essen, an jenem letzten Tag im Krankenhaus.
Ihr Spiegelbild starrte sie an. Das war vor einer Woche. Ich habe seit einer Woche nichts gegessen?
Schwachsinn , schrie ihr medizinisches Wissen in ihrem Kopf. Wenn du seit einer Woche nichts gegessen hättest, dann könntest du nur noch über den Boden kriechen. Du hast nur nicht darauf geachtet.
Trotz der arktischen Temperaturen im Zimmer schlief Alex an diesem Tag unruhig, warf sich hin und her, bis sie es schließlich aufgab und Gameshows guckte und sich wunderte, wie sich die Teilnehmer derart über hässliche Möbel und Autos freuten, deren Versicherung sie vermutlich nicht bezahlen konnten. Jedes Mal, wenn sie an Essen dachte, zog sich ihr Magen zu einem engen, abwehrenden Knoten zusammen. Sie konnte sich wirklich nicht erinnern, auch nur eine Kleinigkeit gegessen zu haben, seit sie das Krankenhaus verlassen hatte, und es machte ihr langsam Sorgen.
Noch mehr Sorgen kamen hinzu, als sie nachmittags Grace noch einmal anrief.
»Dr. Whelton hat die zweite Meinung gefaxt, die du haben wolltest«, meinte ihre Praxishelferin. »Er sagt, die Bluttests müssen wiederholt werden, und wenn das Ergebnis das gleiche ist, dann sollst du die Proben sofort per Kurier an die Seuchenschutzbehörde schicken.«
»Warum?«
»Warte, ich lese dir das Fax vor.« Man hörte das Rascheln von Papier. »Also, er schreibt: ›Blutwerte ergeben keinen Sinn. Kein Aids, keine Leukämie oder Sepsis, aber weist ähnliche Charakteristika wie alle drei auf. Brauche Knochenmark, um es besser einzugrenzen. Brauche auch die Mikroskopträger, keine Fotos davon. Fotos zeigen eine vierfache Sättigung mit mutierten Phagozyten und zwei eindeutig nicht klassifizierte Bakterienzellen. Schick mir Proben, und ich werde die Tests persönlich im Labor durchführen. Alex, das hier ist hochbrisantes Material. Ruf mich sobald wie möglich an, Jerry.‹«
Also hatte Cyprien sie mit einer unbekannten Blutkrankheit infiziert. Warum war das niemandem bei den ganzen Tests aufgefallen, die auf der Intensivstation gemacht worden waren? »Fax ihm zurück: Danke, aber die Tests werden nicht wiederholt und schick den Bericht auch nicht an die Seuchenschutzbehörde.«
Grace sog erschrocken die Luft ein. »Bist du dir da sicher, Boss? Was, wenn diese Patientin irgendjemanden ansteckt?«
»Das wird sie nicht. Sie ist tot.« Oder würde es bald sein. Alex zog sich aus einem tiefen Brunnen voller Selbstmitleid und fügte hinzu: »Ich forsche gerade an Leukämiepatienten. Wenn es ein neuer Stamm ist, dann gehört er mir, und nicht denen oder Jerry.«
»Okay.« Grace klang nicht allzu überzeugt. »Hör mal, es ist vielleicht nicht der geeignete Zeitpunkt, um dich das zu fragen, aber ich habe einen Job angeboten bekommen. Mein Cousin Kyung, der Podologe, du erinnerst dich? Seine Helferin ist schwanger und geht in den Mutterschutz. Und weil du doch alle unsere Patienten abgegeben hast, habe ich hier nicht besonders viel zu tu n … «
»Ich verstehe.« Alex schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand. Cyprien hatte sie mit irgendeiner gottverdammten Krankheit infiziert, und jetzt verlor sie auch noch die einzige Person, auf die sie sich verlassen konnte. Aber wie schnell es mit ihr auch bergab ging, sie musste Grace nicht mit runterziehen. »Ich werde dich vermissen.«
»Wenn du mich jemals wieder brauchen solltest, musst du nur anrufen. Das weißt du, Alex.« Grace seufzte. »Bist du sicher, dass du nicht mit Don reden willst? Du weißt schon, nur um ein bisschen zu quatschen.«
»Mir geht’s gut. Viel Glück bei deinem neuen Job.«
»Dir auch viel Glück.« Die Praxishelferin kicherte. »Hey, wenn
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