Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
du eine neue Krankheit entdeckst, dann nenn sie nicht nach mir.«
Was hatte Cyprien in ihre Blutbahn gebracht? Kellers Blutfäule? Alexandras Demenz? Akutes Postentführungssyndrom? Oder ist es ansteckender Vampirismus? »Das werde ich nicht, versprochen.«
10
John war noch nie in Rom gewesen, aber er bekam wenig Gelegenheit, den Touristen, der das erste Mal in der Stadt ist, zu spielen. Ein junger italienischer Priester stand mit einem Plakat mit Johns Namen in der Hand neben dem Zollausgang und führte ihn hinaus zu einem alten Saab, der hinter einer langen Reihe Taxis geparkt war. Der Priester lud Johns einzigen Koffer in den Kofferraum, bevor er sich hinter das Steuer setzte.
»Wir fahren, treffen Brüder«, sagte der Priester zu ihm und deutete in Richtung Stadtrand.
John nickte, setzte sich auf den Beifahrersitz und schnallte sich an. Italiener wurden in ihrer rücksichtslosen Fahrweise nur noch von den Franzosen übertroffen, und er hätte wirklich lieber selbst ein Auto gemietet. Hightower hatte ihn jedoch überstimmt und ihm gesagt, dass er alleine niemals das Haus der Bruderschaft finden würde.
Rom war groß und voll und laut. Es gab überall Blumen, große scharlachrote Rosen, glatte gelbe Tulpen und prächtige Hyazinthen. Auf dem Weg durch die Stadt kamen sie an mehr Restaurants, Motorrädern, rostigen Fiats und streunenden Katzen vorbei, als John jemals in seinem Leben gesehen hatte. Er dachte, dass Fiats und Motorräder nachvollziehbar waren, wenn man bedachte, dass die Stadt Jahrhunderte vor der Erfindung des Autos erbaut worden war. Die meisten Straßen waren eher wie enge Gassen, durch die eigentlich nur Fußgänger, Pferde und hin und wieder ein Karren passten.
»Mein Name Tolomeo«, sagte der Priester, ein freundlicher junger Mann mit einem hübschen Gesicht und dunklem Haar. Er fuhr mit der üblichen europäischen Missachtung von jeglicher Verkehrssicherheit durch den dichten Verkehr. »Du sprechen kein Italienisch, eh?«
»Nein, Vater Tolomeo, tut mir leid, das tue ich nicht.«
»Ist okay. Du hungrig?« Der Priester wurde langsamer, nachdem er über die Piazza Navona gebrettert war, und parkte verbotenerweise vor einem kleinen Café. » Zuppa , du mögen, eh?«
John blickte auf die drei berühmten Brunnen und nickte. Tolomeo sprang aus dem Wagen und kehrte ein paar Minuten später mit zwei Styroporbehältern zurück. In dem, den er John gab, war eine heiße, köstlich duftende Mischung aus verschiedenem Gemüse in einer rötlichen Suppe.
»Minestrone, du trinken, so?« Der jüngere Mann hob seinen Behälter und trank die Suppe direkt daraus.
John nahm einen Schluck und verbrannte sich die Zunge. »Danke, äh, grazie .«
Tolomeo zeigte ihm seine weißen Zähne, als er den Wagen wieder anließ. » Prego, prego .« Er riss das Lenkrad herum und schoss zurück in den Verkehr.
Die heiße Suppe war köstlich, als John endlich wieder etwas schmecken konnte, aber er konzentrierte sich mehr darauf, nichts zu verschütten als zu trinken. Er wünschte, er wüsste mehr über Italien, dann hätte er sich mit dem jungen Priester unterhalten können. Doch er war so aufgewühlt über sein letztes Treffen mit Alexandra gewesen, dass er nicht einmal daran gedacht hatte, sich ein Wörterbuch zu besorgen.
Tolomeo schien das nichts auszumachen. Er trank immer wieder von seiner Suppe, während er durch ein Raster aus schmalen, verstopften Straßen fuhr, und murmelte hin und wieder etwas, das wahrscheinlich milde Flüche in seiner Muttersprache waren. Ansonsten überließ er John seinen Gedanken.
Gedanken, die mit jeder Stunde düsterer wurden. Er hatte vor seiner Abreise zweimal versucht, Alexandra anzurufen, aber kein Glück gehabt. Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben, und er würde das akzeptieren müssen. Wenn er nur die Schuldgefühle hätte verdrängen können, die ihn wegen ihres letzten Treffens plagten.
Sie tun mir weh, Vater.
Er hatte sie nicht festhalten wollen. Es war ein Reflex gewesen, nicht mehr. Nein, ich war wütend, und ein Teil von mir wollte ihr wehtun. Hatte er ihr blaue Flecke gemacht? Einige der Pflegeeltern, bei denen sie gewesen waren, bevor die Kellers sie adoptierten, hatten das getan.
Alex’ Wange war von einem Bluterguss bedeckt gewesen an jenem Tag, an dem sie an der Parkbucht vor dem Bürogebäude des Jugendamtes gestanden und in die große Lincoln-Limousine geblickt hatten, in der Audra und Robert Keller saßen und darauf warteten, dass sie einstiegen. Alex hatte
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