Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
durch einen schwach beleuchteten Flur aus Tuffsteinwänden, die so alt waren, dass die Steine an einigen Stellen bröckelten. Er nahm an, dass sie einmal weiß gewesen waren, aber Jahrhunderte von Kerzenrauch und eindringendem Grundwasser hatten daraus ein Pergamentgelb gemacht, unterbrochen von braunen Streifen, dort wo Wasser auch jetzt noch in dünnen Rinnsalen von der Decke rann. Trotz der Belüftungsanlage über ihnen kam der ekelhafte Geruch in Wellen und wurde stärker, sobald sie einen der offenen Torbögen durchquerten, die in immer neue Korridore führten.
Endlich blieb Tolomeo vor einer einzelnen Holztür stehen. Auf dem Rahmen waren die griechischen Buchstaben Chi und Rho immer wieder aufgemalt worden, und die Buchstaben X und P fügten sich zu dem vertrauten Symbol für Jesus Christus’ Namen ineinander. Er lächelte John noch einmal an, bevor er mit dem Knöchel dreimal gegen die Tür klopfte. Jemand schloss von innen auf, und Tolomeo bedeutete John, hineinzugehen.
Der Raum war eine Art Kapelle. Ein einfacher Altar unter einem Holzkreuz, auf dem frische Blumen und Kerzen standen, die den unangenehmen Geruch von draußen verbannten. Auf sechs kurzen Bänken, drei auf jeder Seite des schmalen Mittelganges, saßen Männern in einfachen braunen Kutten mit Kapuzen. Ihre Köpfe waren gesenkt, ihre Augen geschlossen, ihre Lippen bewegten sich im Gebet. Keiner sah zu John auf.
Er wandte sich um und wollte Tolomeo fragen, was er tun sollte, aber der junge Priester war ihm nicht in den Raum gefolgt.
Der lebenslangen Gewohnheit folgend hielt John am Rand der nächsten Bank inne und bekreuzigte sich. Der Mann, der am Ende der Bank saß, warf ihm einen Blick zu, bevor er weiterbetete.
Der Blick war nicht freundlich gewesen.
Ein weiterer Mönch trat durch eine Tür in einer Ecke hinter dem Altar. Er trug die gleiche einfache Kapuzenkutte wie die anderen Mönche, aber seine war schwarz mit einer roten Kordel um seinen Bauch. Über seiner linken Brust befand sich ein quadratisches weißes Stück Stoff mit einem roten Kreuz mit gespaltenen Enden darauf. Jetzt erkannte John, dass die anderen Mönche das gleiche Symbol auf ihren Kutten trugen; einige hatten zwei oder drei davon nebeneinander.
Das einfache, am Ende gespaltene Kreuz des Martyriums, ein Symbol für die Tempelritter.
Die Gemeinde erhob sich, schweigend, respektvoll, aber John war immer noch nicht sicher, was er tun sollte. Diese Männer arbeiteten außerhalb der katholischen Kirche; er konnte hier nicht tun, was er als Priester gelernt hatte. Der Mönch in der schwarzen Kutte half, indem er John mit einer breiten braunen Hand vorzutreten bedeutete.
»Willkommen bei den Frères de la Lumière, Vater Keller.« Die Stimme war ein weicher Tenor, aber mit einem deutschen Akzent, keinem italienischen. Die braune Hand zog die Kapuze zurück und enthüllte ein rundes, freundliches Gesicht und ein scharlachrotes Scheitelkäppchen auf der Tonsur. »Ich bin Kardinal Stoss.«
John wollte wieder auf die Knie sinken. Kardinal Viktor Stoss, einer der mächtigsten Männer im Kardinalat, galt als Kandidat für das Amt des Papstes. Doch man kniete nicht vor Menschen, nur vor Gott, und diese kleine Kapelle war immer noch ein Gotteshaus. »Danke, Eure Eminenz.«
Stoss schien amüsiert. »Bischof Hightower hat mir erzählt, dass Sie sich dafür interessieren, ein Soldat Gottes zu werden. Wir brauchen sehr dringend Soldaten, Vater, mit reiner Seele und klarem Verstand.«
John versteifte sich. »Dann sollten Sie Ihre Rekruten im Himmel suchen, nicht in den Slums von Chicago.«
Amüsiert nickte der Kardinal. »Sie sind genauso, wie August Sie beschrieben hat.« Er blickte an John vorbei auf die versammelten Mönche, und sein Gesichtsausdruck wurde ernst. »Hier ist einer, der unseren Reihen beitreten möchte. Jemand, der für annehmbar erachtet wird und sich als würdig erwiesen hat. Gibt es etwas gegen ihn vorzubringen, so möge es jetzt genannt werden.«
Niemand bewegte sich oder sprach.
Stoss nickte und machte vor sich in der Luft das Zeichen des Kreuzes. »Wir akzeptieren unseren Bruder in Christus, John Patrick, als Novizen der Bruderschaft.«
Wie merkwürdig , dachte John. Wie eine Hochzeitszeremonie .
Einer der Mönche mit brauner Kutte trat aus der Bank und stellte sich neben John. Er deutete auf eine Seitentür. »Warte dort, Bruder.«
John ging in das angrenzende Zimmer. Es war groß, wurde von elektrischem Licht beleuchtet und stand voller Geräte, die
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