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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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sie war sehr muffig. «
    » Kommt ganz nach deinem Vater « , seufzte sie. » Übrigens kenne ich eine ganz himmlische neue Schule, die ein Freund von mir eröffnet hat. Eine gemischte Schule und absolut revolutionär. Der Unterricht wird nackt abgehalten, bei ultraviolettem Licht. Da hat man keine Hemmung mehr nach dem ersten Schuljahr. Dieser Mann ist ganz au courant mit dem Neuesten aus Wien, dieses tödlich langweilige Montessori-System ist nichts für ihn. Er arbeitet viel mit gegenstandsloser Kunst und Eurythmie und Gesprächskreisen, es gibt keine Bücher oder so was. Dahin würde ich dich gerne schicken. Es würde deine Libido gehörig aufmischen. «
    Ich hatte keinen blassen Schimmer, wovon sie redete, aber es hörte sich an, als handelte es sich um eine sehr ungewöhnliche Schule, gelinde ausgedrückt.
    Ihr Gesicht nahm einen zärtlichen, verträumten Ausdruck an. » Ich frage mich gerade « , sagte sie, » ob es nicht gut wäre, sich Ralphs Schule einmal anzusehen. Hast du viele Hemmungen? Was meinst du, Schatz? «
    Vor Scham lief ich rot an. » Leider verstehe ich viele Wörter nicht, die du benutzt, Tante Mame. «
    » Ach, Kindchen, Kindchen « , rief sie, und heftig wedelten die federbesetzten Ärmel übers Bett, » was machen wir denn nur mit deinem Wortschatz? Hat dein Vater denn nie mit dir geredet? «
    » So gut wie nie « , gestand ich.
    » Ein reicher Wortschatz ist das untrügliche Kennzeichen eines jeden Intellektuellen, mein Lieber. Also « – sie wühlte in dem Wirrwarr auf ihrem Nachttisch und zauberte noch einen Block und einen Bleistift hervor– » jedes Mal, wenn ich ein Wort benutze oder du ein Wort hörst, das du nicht verstehst, schreibst du es auf, und ich erkläre dir dann, was es bedeutet. Du merkst dir das Wort, und so hast du bald einen anständigen Wortschatz beisammen. Ach, wie aufregend « , schwärmte sie, » so einen jungen Menschen zu formen! « Wieder vollführte sie eine schwungvolle Geste, die diesmal verunglückte, denn sie schmiss die Kaffeetasse um, und ich notierte mir gleich sechs neue Wörter, die Tante Mame mich bat auszuradieren und gleich wieder zu vergessen.
    Danach las Tante Mame weiter in dem Testament.
    » Was die Erstattung durch diese Treuhandgesellschaft betrifft… «
    » Wie schreibt man Erstatt… «
    » Unterbrich mich nicht! Was die Erstattung durch diese Treuhandgesellschaft betrifft– natürlich bin ich willens und bereit, deinen Unterhalt zu bestreiten. « Ihre Augen verengten sich, und sie sah mich mit einem stechenden Blick an. » Bestimmt ist dir so eine menschliche Rechenmaschine an die Seite gegeben worden, die auf dein Geld aufpasst und mir vorschreiben will, wie ich dich zu erziehen habe. «
    » Meinst du meinen Treuhänder? «
    » Genau, mein Kind. Was ist das für einer? «
    » Er trägt einen Strohhut und Brille und wohnt in einer Stadt, die Scarsdale heißt, und er hat einen Jungen in meinem Alter, und sein Name ist Mr. Babcock. «
    » Scarsdale! Hätte man sich denken können. « Tante Mame notierte sich » Knickerbocker Trust « und » Babcock « . » Wie ich das so sehe, wird der die kommenden acht Jahre über für mich wohl eine bête noire sein. Ich trage die Verantwortung, er hat die Macht! «
    » Bête noire, das heißt schwarzes Ungeheuer, nicht? « Eine ziemlich gewagte Charakterisierung von Mr. Babcock, wie ich fand.
    » Darling! « , sagte sie strahlend und gab mir einen Kuss. » Dein Wortschatz entwickelt sich prächtig. Eigentlich sollten wir zu Hause nur Französisch sprechen. « Fortfahren tat sie allerdings auf Englisch. » Mr. Babcock knöpfen wir uns zu gegebener Zeit vor. In meinem Salon lernst du in zehn Minuten weiß Gott mehr fürs Leben, als du in zehn Jahren bei so einem Vater wie deinem gelernt hast. Kriminell, ein Kind so zu erziehen! « Sie sah auf die Uhr und wedelte mit den Federärmeln. » Ach, du liebe Güte. Ich muss unbedingt noch mit Vera shoppen gehen. Hast du nicht Lust mitzukommen? Außerdem finde ich, dass wir uns fürs Erste genug miteinander bekannt gemacht haben. « Sie musterte meinen schwarzen Traueranzug. » Um Gottes willen, Kind, du siehst ja aus wie eine kranke Vogelscheuche! Hast du nichts anderes zum Anziehen? «
    » Doch « , sagte ich.
    » Dann zieh dich um, wenn du mitkommen willst. Und vergiss dein Vokabelheftchen nicht. « Gehorsam begab ich mich zur Tür.
    » Ach, übrigens, Kind « , sagte sie. Ihre Augen nahmen wieder den stechenden Blick an.
    » Ja, Tante Mame? «
    » Hat dein

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