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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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einem Hauch Zobel.‹ Nie werde ich vergessen, wie sich Brooks Atkinson über das Kostüm geäußert hat. Sieh an, schrieb er, es hebt diesen Schmachtfetzen auf eine Stufe mit Shakespeare. «
    Mit dem Thema Kleidung hatte man immer Tante Mames ungeteilte Aufmerksamkeit, und umgehend erhellte sich ihre Miene. » Genau, Vera « , sagte sie gedehnt, » du hast ja so Recht. Ich sehe es schon vor mir: den kleinen grauen Kimono mit der violetten Stickerei und dazu vielleicht noch eine blutrote Kamelie über jedem… «
    » Mame, meine Liebe « , sagte Vera taktvoll, » die Rede ist nicht von einem japanischen Kostüm für diese– diese Tortur. Du musst in Scarsdale als ein anderer Mensch auftreten– so jemand wie Jane Cowl. Ich hatte eigentlich ein ganz schlichtes Kleid im Sinn. Etwas Weiches, Vornehmes– und alles andere schwarz. Verstehst du, was ich sagen will, meine Lie-hiebe? Du hast Kummer, trägst jedoch nicht unbedingt Trauer, aber etwas sehr Konservatives. So etwas flößt einem Treuhänder Vertrauen ein. «
    Tante Mame war misstrauisch, aber interessiert, und während der Pegel des Brandys– angeblich von der Î le de France an Land geschmuggelt– in der Flasche immer tiefer sank, schwang sich Vera mit ihrem bissigen Bild von der kleinen, ehrbaren, unverheirateten Tante zu immer gewagteren Höhenflügen auf. Tante Mame hatte einen Hang zum Dramatischen, und am Ende stöberten die beiden Frauen wie zwei junge Mädchen in ihrer Garderobe.
    Während ich aus einem Buch von Elinor Wylie, Angels and Earthly Creatures, Gedichte laut vortrug und Veras Brandyglas nachfüllte, verwandelte sich ein altes Negligee aus grauem Chiffon in ein angemessen tristes Kostüm, welches, zusammen mit Veras großem schwarzem Hut, zart verschleiert, und einem Halsband aus tiefschwarzem Bernstein, Tante Mame die richtige Aura vornehmer Verzagtheit verlieh. Vera förderte außerdem noch einen falschen Zopf zu Tage, den Tante Mame mal auf einem Künstlerball getragen hatte. In sich geflochten, bildete er ein natürliches, wenn auch wackliges Krönchen auf Tante Mames Bubikopf. Um sechs Uhr war das Kostüm fertig, dann nähte Vera mir noch eine schwarze Armbinde, genehmigte sich den letzten Tropfen Brandy und kippte um.
    Um neun Uhr am nächsten Morgen– mitten in der Nacht, wie sie sagte– war Tante Mame bereits aufgestanden. Sie sah blass und kränklich aus. In der Küche stellte Ito einen enormen Picknickkorb zusammen, Gurkensandwichs, Champagner und Mandelkuchen. Unten am Beekman Place glänzte unheilvoll Tante Mames Mercedes Benz. Tante Mame brauchte geschlagene zwei Stunden, um sich in ihren Trauerflor zu hüllen, aber sie sagte, es solle alles richtig passen, und obwohl es draußen über dreißig Grad war, legte sie sich, Veras sensationellen Erfolg als Lady Esme im Kopf, ihre Zobelstola um.
    1929 brauchte man mit dem Zug etwas über eine halbe Stunde bis nach Scarsdale, jedoch mochte sich Tante Mame der strikten Zeiteinteilung der Eisenbahn nie unterwerfen. Der große Mercedes verließ Beekman Place daher acht Stunden, bevor man uns in Scarsdaleerwartete, was vielleicht gar nicht so schlecht war, denn Ito war ein Sonntagsfahrer, bestenfalls, und keiner von uns hatte eine Ahnung, wo oder was Scarsdale war. Tante Mame saß angespannt auf dem Rücksitz, rückte ihr schlecht vertäutes Krönchen zurecht und zupfte an ihrem Zobel. Oft packte sie meine Hand und murmelte: » Ach, mein Lieber, was sollen wir bloß machen? « Das Auto war zwar geräumig, aber auf der Rückbank war es doch recht eng für uns beide, mit dem Picknickkorb, den mit Eis gefüllten Champagnerkühlern, diversen Straßenkarten– die meisten von anderen Landesteilen–, einer Pelzdecke für den Schoß, einem Gedichtbändchen, mit einer zärtlichen Widmung von Sara Teasdale für Tante Mame, und meinem Vokabelheftchen.
    Ito, dessen Orientierungssinn noch weniger ausgeprägt war als Tante Mames, fuhr zuerst nach Long Island, dann nach New Jersey und erwischte schließlich doch noch die richtige Route. Nach einer ausgiebigen Mittagspause in Larchmont und einem kleinen Umweg über Rye steuerte Ito mit dem Wagen wieder unser Ziel an, und um halb vier kamen wir in Scarsdale an. » Oh Gott « , stöhnte Tante Mame, » drei Stunden zu früh! « Den restlichen Nachmittag verbrachten wir im Kino, ein Film mit Tom Mix. Ito und mir gefiel er gut, Tante Mame dagegen fand, es sei abstoßend, was man den Leuten so zum Fraß vorwerfe, und der Staat solle doch lieber Filme von

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