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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Ralph, Natalie und der Schülerschar waren Titelzeilen nach dem Motto SEXSCHULE AUFGEFLOGEN zu lesen, dazu Artikel von führenden Größen der Stadt sowie einem wütenden Kirchenmann, fast alle mit der einleitenden Frage: » Mutter, was bringt man deinem Kind bei? «
    Der Tag danach war der 29 . Oktober 1929 . Die Börsenkurse befanden sich im freien Fall, und die Zeitungen hatten über dringlichere Themen zu berichten. Ich saß längst eingekerkert in der St. Boniface Academy, und die schneidende Stimme meiner Tante Mame war nur noch ein schwaches Flüstern in der akademischen Wüste.

3. Kapitel
    Tante Mame
    im Tempel des Mammon
    Ü ber der reizenden kleinen Jungfer im Digest braut sich schon bald ein Gewitter zusammen. Sie hat sich an ein sorgloses Leben mit Kind und Katze gewöhnt– da macht plötzlich die örtliche Bank dicht, und die Ersparnisse der armen alten Dame sind mit einem Schlag futsch. Nur eine jämmerliche Rente bleibt ihr, und die Zukunft sieht nicht rosig aus. Die Dame ist jedoch unverzagt, und sie stellt fest, dass sie einen guten Geschäftssinn hat.
    Zunächst fängt sie an zu backen. Brot und Brötchen und Lady-Baltimore-Kuchen, und ehe sie sich versieht, wird daraus eine florierende Konditorei, und sie hat mehr Arbeit, als sie bewältigen kann. Danach nimmt sie ihr Hobby der Porzellanmalerei aus den Mädchenjahren wieder auf, und ihr Vergissmeinnicht-Muster wird der letzte Schrei– bei wem, verschweigt der Artikel. Schließlich wendet sich dieses kleine Energiebündel einer weiteren Tätigkeit zu, sie knüpft Teppiche, webt Platzdeckchen und näht Patchworkquilts, und das Geld hört einfach nicht auf zu fließen.
    Kein bisschen beeindruckt mich das. Tante Mame hat auch immer gesagt, sie hätte Geschäftssinn. Als der Börsenkrach ihr hart zusetzte, stürzte sie sich in weit mehr Unternehmungen als jener » Mensch, den man nicht vergisst « , und irgendwie hat sie uns beide auch gerettet.
    Der September 1930 war außergewöhnlich warm, und der Tag, für den Tante Mame den schmerzlichen Termin mit ihrer Bank anberaumt hatte, war glühend heiß. Sie kam nach Hause, ließ den Fuchspelz mitten im Wohnzimmer zu Boden fallen, verlangte einen starken Drink und sank auf ihr » modernistisches « Sofa. » Patrick « , sagte sie hohl, » deine Tante Mame ist eine arme Frau. Ruiniert, ruiniert, ruiniert! « Mit einem schmachtenden Blick schaute sie hinaus auf die Straße und versuchte, sich einige Tränen abzuringen. » Ich bin « ,sagte sie theatralisch, » nur noch ein armer Schlucker. «
    Die teure Maisonettewohnung hatte Tante Mame aufgegeben und sich in einem hübschen Kutscherhäuschen in Murray Hill niedergelassen. Sie hatte alles neu eingerichtet, hatte sich viele neue, längere Kleider gekauft und hatte mehrere Partys gegeben, um die neuen vier Wände einzuweihen und die alte Truppe, das, was von ihr übrig geblieben war, um sich zu scharen. Dann wurde ihr allmählich klar, dass Leben Geld kostet– selbst 1930 , als alles billig zu haben war. Geld war jedoch ganz allgemein knapp, und Tante Mames Geld im Besonderen war noch knapper.
    Jetzt war sonnenklar, dass sie nach ihrem heftigen Flirt mit dem Aktienmarkt und ihren immensen Ausgaben über genau viertausend Dollar Barvermögen und eine behagliche monatliche Rente von zweihundert Dollar verfügte.
    » Allein der Gedanke, dass ich nach all den Jahren des Knauserns und Sparens jetzt das Kreuz der Armut tragen soll! «
    » Nichts mehr auf der hohen Kante, liebe Tante? « , sagte ich und musste kichern, weil es sich reimte.
    Sie sah mich scheel an. » Du hast gut lachen– du mit deinen elf Jahren und einem fest angelegten Vermögen, an das keiner ran kann– wo deine arme Tante Mame reif fürs Armenhaus ist. Wie, bitte schön, sollen wir mit lächerlichen zweihundert Dollar im Monat auskommen? «
    Zweihundert Dollar waren im Jahr 1930 für Millionen von Menschen ein Vermögen. Mit einigen wenigen Einsparungen hier und da hätte Tante Mame sogar ein ganz gutes Auskommen gehabt.
    » Tja « , sagte sie mit einem gequälten Seufzer, » du kannst dir denken, was das heißt. Es heißt, dass ich wieder arbeiten muss, nur, damit du weiter auf diese dämliche St.-Boniface-Schule gehen kannst. « Die Trust Company kam für meine Schulgebühren auf, aber es erschien mir klüger, das nicht zu betonen. » Andererseits « , fuhr sie fort, » habe ich mein ganzes Leben geackert und geschuftet. Daran bin ich gewöhnt. «
    Auch das stimmte nicht ganz. Über einen

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