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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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erschaffen lässt. Kurz vor ihrer Rückfahrt nach Milwaukee erwirkte Mrs. Riemenschneider eine einstweilige Verfügung gegen die Einrichtungsfirma, nicht nur, was die Rückzahlung ihrer einhunderttausend Dollar betraf, sondern auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ihres Hauses.
    Die Zeitungen bekamen Wind von der Sache und brachten die Geschichte groß raus. Tagelang häuften sich Alliterationen wie » bolschewistisches Barbarentum « , » manische Moderne « oder » kindische Kunst « in den Sensationsblättern. Ein geistreicher Leitartikler taufte Tante Mame » Mumpitz Mame « ; zwei Kolumnisten verfassten Artikel, die mit dem Satz begannen: » Mein Junge ist in der vierten Klasse, und er kann besser malen als Picasso! « Und aus Elsie de Wolfes Atelier wurde Tante Mame rausgeworfen.
    Aufgebracht und gedemütigt von, wie sie es nannte, der Ignoranz der Massen, war Tante Mame dennoch nicht bereit, ihren Kreuzzug für das Ultramoderne aufzugeben. Während der Auseinandersetzung hatte sie einige Verbündete gefunden, dazu gehörte ein dumpfer junger Bildhauer namens Orville, der auch eine eigene Töpferscheibe besaß und » die sensationellsten Keramikarbeiten « herstellte. Tante Mame beschloss daher, ihr Kapital zu nutzen und eine Geschäftspartnerschaft mit ihm einzugehen. Sie planten, eine Geschenkboutique zu eröffnen, die sich » dem Unerschrockenen, dem Experimentellen, dem Sensationellen, dem Neuen, dem Modernen verschreiben « würde, wie in ihrem Brief zu lesen war.
    » Patrick, Darling « , fuhr sie fort, » der Laden wird anders als alle anderen Läden in New York. Warte nur ab, du wirst schon sehen. New York wird Feuer und Flamme für uns sein! «
    Tatsächlich war das Maison Moderne, wie das Etablissement sich nannte, anders als alle anderen Läden in New York, jedenfalls anders als alles, was ich bisher gesehen hatte. Es war in einer Zeile aus älteren Reihenhäusern in der East Fifty-fourth Street untergebracht. Das große Schaufenster war amöbisch geformt, die Eingangstür rund und likörfarben. Die Wände waren in einem gnadenlosen Rotviolett gestrichen, beleuchtet von einem Knäuel aus gemarterten Neonröhren und vollgestellt mit den seltsamsten Aschenbechern, Tellern, Keramikansteckern und anderen Dingen, die Tante Mame objets d’art nannte.
    Das Maison Moderne eröffnete an dem Tag, an dem ich für die Weihnachtsferien nach Hause kam, und es zog scharenweise Menschen an. Nachdem sie den Anfangsschock verdaut hatten, meinten die meisten jedoch, sie wollten sich nur mal umschauen. Tante Mame war in ihrem Element, lief in ihrem Kittel und mit einer im Mundwinkel baumelnden Zigarette aufgeregt hin und her. Am ersten Tag erzielten sie einen Umsatz von knapp vierzehn Dollar und erhielten eine breite Berichterstattung in der Presse.
    Tante Mame schienen die Gemeinheiten, die dort zu lesen waren, nicht zu stören. » Deswegen ist Publicity so wichtig, mein kleiner Liebling. So viele Zeitungsannoncen hätte ich nicht für fünfzigtausend Dollar kaufen können. Hast du schon gesehen, wie herrlich fotogen sich Orvilles Fötus-Sandwichteller in der American macht? Das ist kostenlose Werbung, mein Lieber. Solange über einen berichtet wird, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Sorgen muss man sich erst machen, wenn nichts mehr über einen geschrieben wird. «
    Vielleicht hatte sie ja Recht damit, denn am Tag darauf drängten sich noch mehr Menschen in dem Raum. Tante Mame schlängelte sich, zwitschernd wie ein aufgekratzter Kanarienvogel, zwischen den Kunden hindurch, und zweimal bat sie mich, Kaffee zu holen, dreimal Melachrino-Zigaretten. Um ein Uhr war der Laden rappelvoll, und das Geschäft lief so gut, dass sie nach Norah schicken ließ, damit sie die Kasse übernahm, während ich im hinteren Teil des Raums stand, bis zur Taille in Holzwolle, und Tante Mames abscheuliche Töpferware einpackte. Man konnte sagen, was man wollte, das Maison Moderne zog die Aufmerksamkeit der Leute auf sich.
    Es war bereits nach sechs Uhr, als Tante Mame endlich den letzten Kunden hinauskomplimentierte und sich auf einen Haufen Holzwolle plumpsen ließ. » Ach! Was für ein Erfolg! Ein wahrer Erfolg! « , jubilierte sie. » Gib mir eine Zigarette, Darling. Tante Mame ist völlig erledigt! « Sie rekelte sich behaglich und stieß eine Rauchwolke aus. » Was glauben Sie, Norah, wie viel haben wir heute eingenommen? Hundert? «
    » Oh, weit mehr « , antwortete Norah strahlend. » Ich würde sagen,

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