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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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aber der Rauch war zu dicht für ein Feuer vor einem Zelt. Dort unten musste ein Haus sein, davon war er überzeugt. Er schloss die Augen und roch, woraus das Feuer bestand. Ahorn und vielleicht auch Esche. Und eine Menge Torf. Jemand machte es sich gemütlich. Jemand, der hier lebte.
    Niall wollte gerade den Abstieg beginnen, als er ein Geräusch hinter sich hörte. Ein mechanisches Jaulen, das ihn an die ferngesteuerten Autos erinnerte, die er sich früher von Danny ausgeliehen hatte, weil sein eigener Dad es sich nicht leisten konnte, ihm eines zu kaufen.
    »Guten Morgen«, sagte jemand, der sehr zufrieden damit war, dass er sich so lautlos angeschlichen hatte.
    »Wer ... Oh, Scheiße!«
    Die alten Stiefel, die Niall von Mrs. Crimmins bekommen hatte, rutschten auf der lockeren Erde ab, und einen Moment lang fiel er in den Abgrund. Mit einer Hand hatte er aus Reflex nach einem Ast gegriffen, und als er sich mit vor Wut und Scham brennenden Wangen wieder auf sicheren Boden gezogen hatte, drehte er sich um und sah den Mann.
    Die Gestalt, die direkt hinter ihm saß, trug eine altmodische Hausjacke aus rotem Samt, dazu grüne Armeestiefel und eine schwarze Jägerrnütze. Sein Schnurrbart war dünn und gepflegt, und die Augen darüber glänzten haselnussbraun. Ihr Ausdruck war weder feindselig noch einladend. Die Beine waren von einer grünen Wolldecke umhüllt, und auf seinem Schoß lag eine doppelläufige Flinte wie eine versteinerte Schlange. Er streichelte sie, als würde sie bald lautstark erwachen.
    Was für ein Mann bleibt einfach sitzen, statt auf mich loszugehen, fragte Nialls Gehirn, bevor seine Augen ihm sagten, dass die Antwort offensichtlich war.
    Wer dieser junge Mann auch sein mochte, er saß in einem Rollstuhl.
    Niall fröstelte, sein Knöchel pochte. Er würde niemals schneller laufen können als zwei Ladungen Stahlschrot, so viel war sicher. Der Zauberer hatte ihn in seinem Versteck gefunden. »Ich möchte mit Ihnen sprechen«, sagte Niall mit hoher, krächzender Stimme.
    Der gelähmte Prinz nickte nur und winkte mit einer Hand.
    Zwei Silhouetten erhoben sich etwa hundert Meter voneinander entfernt hinter ihm aus dem Unterholz wie Wölfe, die zum Sprung ansetzen. Die Männer erwiderten das »Alles in Ordnung hier«-Winken mit ihren Gewehren und verschwanden so schnell in den Bäumen, als hätte es sie nie gegeben.
    »Soso«, sagte der Zauberer gleichgültig. »Dann bin ich gespannt, ob du das Zauberwort kennst.« Er steuerte den Rollstuhl einen Pfad entlang und bedeutete seinem uneingeladenen Gast, ihm in den dunklen Hohlweg zu folgen, aus dem kein Licht zu dringen schien.
    »Magst du Ragtime?«, fragte er, und Niall sah, wie seine rauen Hände über die Allradreifen des Rollstuhls tanzten, als wolle er auch ihnen Musik entlocken. »Ich hoffe es. Sonst wird das nämlich ein sehr langer Tag für uns beide.«
    Niall erlaubte sich einen Moment lang ein Gefühl von Sicherheit, als Hunde angerannt kamen, um den Mann im Rollstuhl zu begrüßen. Zwei Spaniel mit dem merkwürdigen, grimmig intelligenten Blick, bei dem sich sogar ihre Besitzer dumm vorkommen. Eine Frau in einer gestärkten weißen Schürze wartete neben der Eingangstür eines klassischen Herrenhauses aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert, dessen Mauern von üppigem Moos überwuchert waren. Als Nächstes gibt es Tee und Zitronenschnittchen, dachte Niall, aber dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter und blickte in das geduldige Gesicht eines Schattens aus dem Unterholz, dessen Miene so stoisch war wie die Bäume selbst.
    Der gelähmte Prinz schwang seinen Offroad-Rollstuhl mit einer ungeduldigen Bewegung herum. Niall wollte gerade etwas sagen, da sah er sich die Eingangstür, hinter der sich die Haushälterin mit den Hunden zurückgezogen hatte, noch einmal genauer an. Denn eigentlich war es ein Tor und so schwarz wie die Lunge eines Minenarbeiters. Also wieder eine Hinrichtung im Morgengrauen vor der Festung des Wolfes, dachte er und bereitete sich darauf vor, sich nach hinten zu ducken und dem Schläger den Ellbogen in die Eier zu rammen.
    »Wolltest du die frische Landluft genießen?«, fragte der verkrüppelte Adlige, klappte die Flinte in seinem Schoß mit einer geübten Bewegung auf und suchte in seinen Taschen nach frischen Geschossen.
    »Moment, bitte, Sie haben mich ganz falsch ... «
    »Sag bloß nicht, die Musik hat dich magisch angezogen«, beharrte die dürre Gestalt und verzog ärgerlich das Gesicht, weil immer noch keine

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