Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
der Luft und nicht aus der Erde … Ich hoffe allerdings nicht, hiermit die nächste Diät-Idee für ein Frauenmagazin geliefert zu haben.
In all unsere Organe stecken wir also Energie – und erst im Dünndarm bekommen wir auch mal etwas zurück. Das macht Essen zu so einer dankbaren Beschäftigung. Direkt nach dem letzten Happen kann man aber noch keinen Energieschub erwarten. De facto sind viele Menschen dann erst mal müde. Das Essen ist auch noch gar nicht im Dünndarm angekommen, sondern steckt in den Verdauungsvorbereitungen fest. Der Hunger ist zwar weg, weil der Magen durch die Nahrung gedehnt wurde, aber wir sind genauso schlapp wie vor dem Essen und müssen zusätzlich noch Kraft aufbringen für die aufwendige Durchmischung und Zerkleinerung. Dabei fließt eine Menge Blut durch unsere Verdauungsorgane. Viele Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass unser Gehirn durch die geringere Durchblutung müde wird.
Einer meiner Professoren meint dazu: »Wenn das ganze Blut aus dem Kopf im Bauch wäre, wären wir tot oder ohnmächtig.« Tatsächlich gibt es auch andere mögliche Ursachen für die Müdigkeit nach dem Essen. Bestimmte Signalstoffe, die wir bei Sattheit ausschütten, können Hirnbereiche stimulieren, die uns müde machen. Die Müdigkeit stört vielleicht unser Gehirn bei der Arbeit, unser Dünndarm findet sie allerdings prima. Er kann am effektivsten arbeiten, wenn wir angenehm entspannt sind. Dann steht ihm nämlich die meiste Energie zur Verfügung, und das Blut ist nicht voll mit Stresshormonen. Der ruhige Buchleser ist in Sachen Verdauung erfolgreicher als ein angespannter Topmanager.
Der unnötige Blinddarm und
der pummelige Dickdarm
Im Behandlungsraum einer Arztpraxis liegen, mit einem Thermometer im Mund und mit einem im Hintern. Es gibt schönere Tage. So lief früher eine der Untersuchungen bei Verdacht auf Blinddarmentzündung ab. War die Po-Temperatur deutlich höher als die des Mundes, galt das als ein wichtiges Indiz. Heutzutage verlassen sich Ärzte nicht mehr auf Thermometerdifferenzen. Hinweise auf eine Blinddarmentzündung sind Fieber plus Schmerzen rechts unterhalb des Bauchnabels (hier befindet sich der Blinddarm bei den meisten).
Auf diese Stelle zu drücken tut oft weh, während es links vom Bauchnabel dann kurioserweise wieder guttut. Sobald man den Finger links wieder wegnimmt – autsch! Das liegt daran, dass unsere Bauchorgane von einer Schutzflüssigkeit ummantelt sind. Bei Druck auf der linken Seite schwimmt rechts der entzündete Darm in einem größeren Flüssigkeitskissen, und das gefällt ihm gut. Ein anderer Hinweis auf eine Blinddarmentzündung sind Schmerzen beim Anheben des rechten Beines gegen einen Widerstand (jemand muss dagegen drücken) und Appetitlosigkeit oder Übelkeit.
Unser Blinddarm gilt als unnötiges Organ. Kein Arzt auf der ganzen Welt würde allerdings einem Patienten mit schlimmen Bauchschmerzen den Blinddarm rausnehmen. Der Blinddarm ist ein offiziell wichtiger Teil des Dickdarms. Das, was man Menschen rausoperiert, ist der sogenannte Wurmfortsatz, der unten am Blinddarm dranhängt. Er sieht noch nicht mal wie ein echtes Stück Darm aus, sondern eher wie ein unaufgeblasener Luftballon, mit dem Clowns Tiere formen. Kein Wunder, dass ihn da niemand ernst nimmt und ihn nach dem nächstgrößeren Darmteil, an dem er dranhängt, benennt. So wie wenn man sagt: »Ich wohne in Frankfurt«, obwohl man in Lorsbach lebt.
Unser Wurmfortsatz ist nicht nur zu winzig, um sich mit Nahrungsbrei zu beschäftigen, er hängt auch noch an einer Stelle, zu der kaum Essen hinkommt. Der Dünndarm mündet ein Stück weiter oben seitlich in den Dickdarm und übergeht ihn damit einfach. Wir haben es hier mit einem Wesen zu tun, das eher von unten zuschauen kann, was die Welt über es hinwegschiebt. Wer sich noch an die Kuppellandschaft aus dem Mund erinnert, ahnt vielleicht schon, welche Kompetenz in dem merkwürdigen Beobachter schlummert! Obwohl er weit von seinen Kollegen entfernt ist, gehört der Wurmfortsatz zum Immungewebe der Mandeln.
Unser Dickdarm beschäftigt sich mit den Dingen, die im Dünndarm nicht aufgenommen werden können. Deswegen sieht er auch nicht samtig aus. Es wäre schlichtweg vergebene Mühe, hier noch mal lauter aufnahmefreudige Zotten hinzusetzen. Stattdessen ist er die Heimat von Darmbakterien, die letzte Essensreste für uns zerlegen. Für diese Bakterien interessiert sich wiederum unser Immunsystem sehr.
Der Wurmfortsatz sitzt also an
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