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Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Titel: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giulia Enders
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verbrennen will. Frühestens nach dem ersten kleinen Leistungsknick werden die edlen Reserven richtig angezapft. Wir ärgern uns vielleicht darüber, dass nicht sofort der Bauchspeck angegangen wird – aber unser Körper versteht diesen Ärger nicht, denn: Menschliche Zellen verehren Fett.
    Fett ist von allen Nahrungsteilchen die effizienteste und wertvollste Substanz! Die Atome sind so ausgefuchst aneinandergebaut, dass Fett – im Vergleich zu Kohlenhydrate oder Proteine – pro Gramm doppelt so viel Energie bündeln kann. Wir benutzen es, um unsere Nerven damit zu ummanteln – wie die Plastikhülle um Elektrokabel. Durch diese Ummantelung sind wir so schnelle Denker. Einige wichtige Hormone in unserem Körper werden aus Fett gemacht, und letztlich ist jede einzelne unserer Zellen in eine fettige Membran eingehüllt. So etwas Besonderes wird geschützt und nicht beim ersten kleinen Sprint verjubelt. Sollte die nächste Hungersnot kommen – und in den vergangenen Millionen Jahren gab es viele – , ist jedes Gramm Bauchspeck eine Lebensversicherung.
    Auch für unseren Dünndarm ist Fett etwas ganz Besonderes. Es kann nicht, so wie die anderen Nährstoffe, einfach aus dem Darm ins Blut aufgenommen werden. Fett ist nicht wasserlöslich – es würde die winzigen Blutgefäße in den Dünndarmzotten sofort verstopfen und in den größeren Adern wie Öl auf dem Spaghettiwasser schwimmen. Die Aufnahme von Fett läuft deshalb anders ab: über unser Lymphsystem. Lymphgefäße sind für Blutgefäße so etwas wie Robin für Batman. Jedes Blutgefäß im Inneren des Körpers wird von einem Lymphgefäß begleitet, auch jedes ganz kleine Äderchen im Dünndarm. Während die Blutadern dick und rot sind und heldenhaft Nährstoffe in unsere Gewebe pumpen, sind Lymphgefäße dünn und weißlich-durchsichtig. Sie holen gepumpte Flüssigkeit wieder aus dem Gewebe zurück und transportieren Immunzellen, um überall für das Rechte zu sorgen.
    Lymphgefäße sind so schmächtig, weil sie keine muskulösen Wände wie unsere Blutadern haben. Oft arbeiten sie einfach mit der Schwerkraft zusammen. Deshalb haben wir morgens beim Aufwachen dicke Augen. Im Liegen kann die Schwerkraft nämlich nicht viel ausrichten, die kleinen Lymphgefäße im Gesicht sind zwar gutmütig geöffnet, aber erst wenn wir uns gerade hinstellen, kann die Flüssigkeit, die über Nacht vom Blut hierhin transportiert wurde, wieder über sie nach unten abfließen. (Unsere Unterschenkel sind nach langem Herumlaufen deshalb nicht voll mit Flüssigkeit, weil die Beinmuskeln die Lymphgefäße bei jedem Schritt zusammendrücken und so das Gewebswasser nach oben gepresst wird.) Überall im Körper gehört die Lymphe eher zu den unterschätzten Schwächlingen – außer im Dünndarm. Hier hat sie ihren großen Auftritt! Alle Lymphgefäße laufen zu einem beachtlich breiten Gefäß zusammen und können das ganze verdaute Fett sammeln, ohne Gefahr zu laufen, verstopft zu werden.
    Dieses Gefäß trägt den schon fast mächtig klingenden Namen Ductus thoracicus ! Man könnte ihn mit den Worten vorstellen: »Es lebe der Ductus und bringe uns bei, warum edles Fett so wichtig ist und schlechtes Fett so schlecht!« Kurz nach einer fettreichen Mahlzeit sind im Ductus so viele winzige Fetttröpfchen, dass die Flüssigkeit nicht mehr durchsichtig, sondern weiß ist wie Milch. Deshalb nennt man den Ductus auch Milchbrustgang. Männer wie Frauen haben einen. Wenn sich das Fett im Ductus gesammelt hat, macht es einen Bogen vom Bauch durch das Zwerchfell schnurstracks zum Herz. (Hier wird die gesammelte Flüssigkeit aus Beinen, Augenlidern und auch vom Darm hineingekippt.) Edles Olivenöl oder auch billiges Fritteusenfett wird also direkt ins Herz gegossen. Vorher gibt es keinen Umweg über die Leber – wie bei allem anderen, was wir verdauen.

Abb.: A = Blutgefäße laufen über die Leber und dann zum Herz.
B = Lymphgefäße führen direkt ins Herz.
    Entgiftung von gefährlichem, schlechtem Fett findet erst statt, nachdem das Herz alles einmal kräftig herumgepumpt hat und die Fetttröpfchen dann irgendwann zufällig in einem Blutgefäß der Leber gelandet sind. Die Leber beherbergt ziemlich viel Blut, weshalb die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass so eine Begegnung bald stattfinden wird – aber zuvor sind Herz und Gefäße schutzlos dem ausgeliefert, was McDonald’s und Co. zum günstigsten Preis erwerben konnten.
    So wie übles Fett Schlechtes bewirken kann, so kann gutes wundervolle

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