Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
Birne isst, schickt die übriggebliebene Fruktose zu einer Darm-Bakterien-Mannschaft, die damit besonders unangenehme Beschwerden verursacht. Das wird natürlich immer heftiger, je mehr Ketchup, Eintopf aus der Dose oder Fruchtjoghurt man zuvor schon zu sich genommen hat.
So eine Fruktose-Intoleranz kann sich auch auf unser Gemüt niederschlagen. Zucker hilft nämlich auch vielen anderen Nährstoffen dabei, ins Blut aufgenommen zu werden. Die Aminosäure Tryptophan etwa klammert sich bei der Verdauung gerne an Fruktose. Wenn wir aber so viel Fruktose im Bauch haben, dass ein großer Teil gar nicht aufgenommen werden kann, verlieren wir so auch das Tryptophan . Tryptophan wiederum brauchen wir, um Serotonin zu bauen. Das ist ein Signalstoff, der als Glückshormon bekannt wurde, weil ein Mangel an Serotonin zu Depressionen führen kann. Eine über lange Zeit unentdeckte Fruktose-Intoleranz kann also durchaus depressive Verstimmungen verursachen. Diese Erkenntnis hat erst seit sehr kurzer Zeit Einzug in ärztliche Praxen genommen.
Ob auch eine Ernährung mit viel zu viel Fruktose auf die Stimmung drückt, ist eine Frage, die sich daraus erst ergibt. Ab 50 Gramm Fruktose pro Tag (das wären fünf Birnen oder acht Bananen oder auch etwa sechs Äpfel) sind bei mehr als der Hälfte vieler Menschen die natürlichen Transporter überlastet. Isst man mehr, kann das gesundheitliche Folgen haben wie Durchfall, Bauchweh, Blähungen und über längere Zeit auch depressive Verstimmungen. In den USA liegt der durchschnittliche Fruktose-Konsum heute schon bei 80 Gramm, unsere Eltern kamen mit Honig im Tee, wenig Fertigprodukten und einem normalen Obstverzehr noch auf 16 bis 24 Gramm pro Tag.
Serotonin sorgt nicht nur für gute Laune, sondern ist auch für ein zufriedenes Sattheitsgefühl verantwortlich. Hungerattacken und dauerndes Naschen können ein Nebeneffekt von Fruktose-Intoleranz sein, wenn zusätzlich noch andere Beschwerden wie Bauchweh auftreten. Ein interessanter Hinweis ist das auch für alle diätbewussten Salat-Esser. In sehr vielen Dressings aus dem Supermarkt oder Schnellrestaurants ist mittlerweile Fruktose-Glukose-Sirup enthalten. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass dieser Sirup auch bei Menschen ohne Fruktose-Intoleranz bestimmte Signalstoffe für Sattheit ( Leptin ) unterdrückt. Ein Salat mit gleich viel Kalorien und einem selbstgemachten Essig-Öl- oder Joghurt-Dressing hält länger satt.
Wie alle Bereiche im Leben ist auch die Lebensmittelherstellung im ständigen Wandel. Manchmal haben Neuerungen gute Auswirkungen und manchmal schlechte. Das Pökeln etwa war einst eine fortschrittliche Methode, um zu verhindern, dass Menschen durch vergammeltes Fleisch vergiftet werden. Jahrhundertelang war es daher Brauch, Fleisch- und Wurstwaren zur Konservierung mit viel Nitritsalzen zu pökeln. Sie bekommen dadurch einen leuchtend roten Farbstich. Das ist der Grund, warum Schinken, Salami, Leberkäse oder auch Kassler beim Anbraten nicht braungrau wird wie etwa ein unbearbeitetes Stück Steak oder Kotelett. Im Jahr 1980 schließlich wurde die Verwendung von Nitrit wegen eventueller gesundheitlicher Risiken stark eingeschränkt. Wurstwaren enthalten nun nicht mehr als 100 Milligramm (ein tausendstel Gramm) Nitritsalz pro Kilogramm Fleisch. Seither erkranken auch sehr viel weniger Menschen an Magenkrebs. Die Korrektur einer einst sehr sinnvollen Neuerung war also mehr als angebracht. Heute mischen kluge Metzger viel Vitamin C mit wenig Nitrit, um Fleisch auf sicherere Weise haltbar zu machen.
Solch ein modernes Umdenken könnte auch nötig sein, was die Verwendung von Weizen, Milch und Fruktose anbelangt. Es ist gut, solche Nahrungsmittel auf unserem Ernährungsplan zu haben, weil sie wertvolle Stoffe enthalten – aber vielleicht sollten wir die Mengen überdenken, die wir davon zu uns nehmen. Während unsere Urahnen, die Jäger und Sammler, jedes Jahr bis zu fünfhundert verschiedene einheimische Wurzeln, Kräuter und Pflanzen aßen, kommt unser Essen heute größtenteils von siebzehn Nutzpflanzen. Es ist nicht merkwürdig, wenn unser Darm mit solchen Umstellungen seine Schwierigkeiten hat.
Verdauungsprobleme spalten unsere Gesellschaft in zwei Gruppen: Die einen sorgen sich um ihre Gesundheit und achten sehr genau auf ihre Ernährung, die anderen sind genervt, dass sie mittlerweile kaum ein Abendessen für ihre Freunde zubereiten können, ohne in der Apotheke einzukaufen. Beide Seiten haben recht. Viele
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