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Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Titel: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giulia Enders
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unserem Körper gibt es solche Bereiche, von denen wir einfach nichts mitbekommen. Was unsere Organe den ganzen Tag arbeiten, spüren wir nicht. Wir essen ein Stück Torte: Im Mund schmecken wir sie noch, und auch die ersten Zentimeter beim Schlucken nehmen wir wahr, aber dann – paff! – ist unser Essen weg. Ab hier verschwindet alles in einem Bereich, der medizinisch-sachlich »glatte Muskulatur« heißt.
    Die glatte Muskulatur ist nicht bewusst kontrollierbar. Sie sieht unter dem Mikroskop anders aus als Muskulatur, die wir bewusst steuern können – wie etwa den Bizeps. Den Bizepsmuskel im Oberarm können wir anspannen und loslassen, wenn wir wollen. Bei kontrollierbaren Muskeln sind die kleinsten Fasern so ordentlich strukturiert, als wären sie mit einem Lineal gezeichnet.
    Die Untereinheiten von glatter Muskulatur ergeben organisch verwobene Netze und bewegen sich in harmonischen Wellen. Auch unsere Blutgefäße werden von glatter Muskulatur ummantelt, deshalb erröten viele Leute, wenn ihnen etwas peinlich ist. Die glatte Muskulatur erschlafft bei Emotionen wie Scham. Dadurch werden die Äderchen im Gesicht erweitert. Bei vielen Leuten zieht sich der Muskelmantel unter Stress zusammen, die Gefäße werden dadurch kleiner, und das Blut muss dagegen anpressen – das kann zu hohem Blutdruck führen.
    Der Darm ist gleich von drei Mänteln glatter Muskulatur umhüllt. Auf diese Weise kann er sich unfassbar geschmeidig bewegen, mit unterschiedlichen Choreographien an unterschiedlichen Stellen. Der Choreograph dieser Muskeln ist das darmeigene Nervensystem. Es steuert alle Abläufe im Verdauungskanal und ist außergewöhnlich selbständig. Trennt man die Verbindung von ihm zum Gehirn durch, bewegt sich hier trotzdem alles munter verdauend vorwärts – so ein Phänomen gibt es sonst nirgendwo in unserem Körper. Beine würden bewegungslos, Lungen könnten nicht mehr atmen. Es ist schade, dass wir die Arbeit dieser eigensinnigen Nervenfasern nicht bewusst mitbekommen. Ein Rülps oder Pups klingt vielleicht ulkig, aber die Bewegung dabei sieht so filigran aus wie die einer Balletttänzerin.

Wie unsere Organe das Essen
transportieren
    Ich lade hiermit ein zur Verfolgung des Stücks Torte vor und hinter dem »Paff«.
Augen
    Lichtteilchen, die am Tortenstück abprallen, treffen auf die Sehnerven der Augen und aktivieren sie. Dieser »erste Eindruck« wird einmal durch das gesamte Gehirn zur Sehrinde geschickt. Sie ist im Inneren des Kopfes, etwa kurz unterhalb eines hochgebundenen Pferdeschwanzes. Hier bastelt das Gehirn ein Bild aus den Nervensignalen – jetzt sehen wir das Tortenstück erst wirklich. Diese leckere Information wird weitergeleitet: Es gehen Informationen zur Speichelfluss-Zentrale, und schon fließt uns das Wasser im Mund zusammen. Auch unser Magen schüttet allein beim Anblick von etwas Köstlichem in Vorfreude etwas Magensäure aus.
Nase
    Steckt man den Finger in die Nase, merkt man, dass es nach oben noch weitergeht, man dort aber nicht hinkommt. Hier sind die Riechnerven. Sie werden von einer Schutzschicht aus Schleim bedeckt. Alles, was wir riechen, muss zuerst im Schleim gelöst werden – sonst kommt es nicht zu den Nerven.
    Riechnerven sind Spezialisten – es gibt für viele einzelne Gerüche eigene Rezeptoren. Manchmal hängen sie jahrelang in der Nase ab, bis sie endlich ihren Einsatz haben. Dann dockt ein einziges Maiglöckchen-Geruchsmolekül an dem darauf wartenden Rezeptor an, und dieser ruft dann stolz zum Hirn: »Maiglöckchen!« Danach hat er wieder ein paar Jahre lang nichts zu tun. Hunde haben übrigens unfassbar viel mehr Riechzellen als wir Menschen, obwohl wir schon sehr viele haben.
    Um etwas von der Torte zu riechen, müssen einzelne Moleküle des Tortenstücks in die Luft abdriften, beim Atmen in die Nasenlöcher gezogen werden. Das können aromatische Stoffe aus Vanilleschoten sein, kleinste Plastikmoleküle von billigen Einmalgabeln oder auch verdampfende Alkoholdüfte aus einer Rumfüllung. Unser Riechorgan ist ein chemisch bewanderter Vorkoster. Je näher wir die erste Gabel mit Torte zum Mund führen, desto mehr gelöste Tortenmoleküle strömen in die Nase. Wenn wir auf den letzten Zentimetern kleine Spuren von Alkohol wahrnehmen, kann der Arm kurzzeitig zurückrudern, die Augen können erneut inspizieren, der Mund die Frage stellen, ob diese Torte Alkohol beinhalten soll oder vielleicht verdorben ist. Der letzte Segen ist das Okay: Mund auf, Gabel rein, und das

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