Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
Abfall anderer Darmbakterien lebt und leuchten kann.
Und damit zurück zum Hauptthema. Bakterien machen mehr als 90 Prozent der Darmwesen aus. Wenn wir Bakterien ordnen, teilen wir sie in etwas mehr als zwanzig Stämme ein. Diese Gruppen haben manchmal so viele Gemeinsamkeiten wie ein Mensch und ein Einzeller mit Mundgrube. Nämlich wenige. Die meisten Darmbewohner kommen größtenteils aus fünf Stämmen: hauptsächlich Bacteroideten und Firmicuten , zusätzlich Actino bakterien, Proteobacteria und Verrucomicrobia . Innerhalb dieser Stämme gibt es verschiedene Ober- und Untereinteilungen, bis man irgendwann vor einer Bakterienfamilie steht. Innerhalb dieser Familie ist man sich relativ ähnlich. Man isst dieselben Dinge, sieht relativ gleich aus, hat ähnliche Freunde und Fähigkeiten. Die einzelnen Familienmitglieder haben dann so eindrucksvolle Namen wie Bacteroides uniformis , Lactobacillus acidophilus oder Helicobacter pylori . Das Königreich der Bakterien ist riesengroß.
Abb.: Grober Ausschnitt der drei wichtigsten Bakterienstämme und ihren Untergruppen. Lactobacilli gehören beispielsweise zu den Firmicuten
Wenn man bei Menschen nach einzelnen Bakterien sucht, entdeckt man immer wieder völlig unbekannte Arten. Oder auch bekannte Arten an unerwarteten Plätzen. Einige Forscher aus den USA untersuchten im Jahre 2011 aus Spaß Bauchnabelfloren. Im Bauchnabel eines Probanden fanden sie Bakterien, die man bis dahin nur aus dem Meer vor Japan kannte. Dabei war der Betreffende selbst noch nie in Asien gewesen. Globalisierung passiert nicht nur, wenn aus Tante Emma McDonald’s wird, sondern dringt bis zu unseren Bauchnäbeln vor. Täglich fliegen Milliarden und Abermilliarden ausländische Mikroorganismen, ohne einen Cent zu bezahlen, um die Welt.
Jeder Mensch hat seine ganz eigene Sammlung aus Bakterien. Man könnte von uns sogar einen bakteriellen Fingerabdruck nehmen. Würde man dann einen Hund abtupfen und dessen Bakteriengene analysieren, könnte man mit großer Sicherheit das passende Herrchen dazu finden. Funktioniert genauso mit Computertastaturen. Alles, was wir oft berühren, trägt unsere Mikrobenhandschrift. Jeder hat irgendwelche abgefahrenen Sammelstücke, die kaum jemand anderes hat.
So einzigartig sieht es allerdings auch in unseren Därmen aus! Wie sollen Mediziner da wissen, was gut oder schlecht ist? Für die Forschung sind solche Einzigartigkeiten problematisch. Wenn sich die Frage stellt: Welchen Einfluss haben Darmbakterien auf die Gesundheit? Dann wollen wir nicht hören: »Also, Herr Mayer hat ein abgefahrenes Asiatisches und ganz viel ulkige Sorten hiervon.« Wir wollen Muster erkennen und daraus Wissen ableiten.
Wenn sich Wissenschaftler mehr als tausend unterschiedliche Bakterienfamilien aus Därmen ansehen, stehen sie daher vor der Frage: Reicht es, grob Stämme zu definieren, oder muss man letztlich jedes uniformierte Bacteroides -Bakterium einzeln angucken? E.coli und sein böser Zwilling EHEC gehören beispielsweise zur selben Familie. Die Unterschiede sind verschwindend gering – spürbar sind sie trotzdem: E.coli ist ein harmloser Darmbewohner, EHEC verursacht schlimme Blutungen und starken Durchfall. Es macht nicht immer Sinn, Stämme oder Familien zu erforschen, wenn man wissen will, welchen Schaden Bakterien im Einzelnen anrichten können.
Die Gene unserer Bakterien
Gene sind Möglichkeiten. Gene sind Informationen. Gene können einem dominant etwas aufzwingen oder aber eine Fähigkeit anbieten. Vor allem sind Gene Pläne. Sie können nichts, solange sie nicht gelesen und verwendet werden. Um manche dieser Pläne kommt man nicht herum – sie entscheiden darüber, ob man ein Mensch oder ein Bakterium ist. Andere kann man lange aufschieben (wie Altersflecken), und wieder andere hat man vielleicht, aber sie werden nicht Realität, zum Beispiel große Brüste. Für den einen ist das gut, für den anderen schade.
Alle unsere Darmbakterien zusammen haben 150 Mal mehr Gene als ein Mensch. Diese riesige Gensammlung nennt man Mikrobiom. Wenn wir uns 150 verschiedene Lebewesen aussuchen könnten, deren genetische Baupläne wir gerne hätten, was würden wir nehmen? Einige würden an die Kraft eines Löwen, die Flügel der Vögel, das Hörvermögen von Fledermäusen oder die praktischen Campinghäuser der Schnecken denken.
Es gibt nicht nur optische Gründe, warum es praktischer ist, sich Bakteriengene anzueignen. Sie lassen sich bequem über den Mund aufnehmen, entfalten ihre
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