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Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Titel: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giulia Enders
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heißt in einem Darm: wissen, wie man funktioniert und was man mag. Von jetzt an befinden sich bestimmte Darmmikroben auf einer gigantischen Reiseexpedition durch unser Leben. Die Route geben wir vor: mit dem, was wir essen, ob wir Stress haben, in die Pubertät kommen, krank sind oder altern.
    Wer auf Facebook Bilder von seinem Abendessen hochlädt und sich wundert, dass Freunde das tolle Foto nicht kommentieren, hat sich einfach nur ans falsche Zielpublikum gewendet. Gäbe es Mikroben-Facebook, würde ein Millionenpublikum beim Anblick des Bildes begeistert applaudieren oder schaudern. Täglich wechselnde Möglichkeiten bieten sich an: Mal sind praktische Milchverdauer im Käsebrot, mal ein Haufen Salmonellen im köstlichen Tiramisu. Manchmal verändern wir unsere Darmflora, und manchmal verändert sie uns. Wir sind ihr Wetter und ihre Jahreszeiten. Sie können uns pflegen oder vergiften.
    Wir wissen bei Erwachsenen nur ansatzweise, was die bauchige Bakteriengemeinschaft alles bewegen kann. Bei Bienen ist das besser erforscht. Bienen mit vielseitigeren Darmbakterien haben sich in der Evolution durchgesetzt. Von ihren fleischfressenden Wespenvorfahren konnten sie sich nur deshalb weiterentwickeln, weil sie neuartige Darmmikroben aufsammelten, die Energie aus pflanzlichen Pollen herausholten. So wurden diese Tiere Vegetarier. Bei Nahrungsknappheit sorgen gute Bakterien für Sicherheit: Eine Biene kann in Notsituationen auch fremden Nektar aus weit entfernten Gegenden verdauen. Einseitige Verwerter kommen da längst nicht so weit. In Krisenlagen stellt sich dann heraus, wer eine gute Mikroben-Armee hat. Bienen mit gut ausgestatteten Darmfloren trotzen manchen Parasitenplagen besser als andere. Darmbakterien sind hier ein unfassbar wichtiger Faktor, wenn es um das Überleben geht.
    Leider können wir diese Ergebnisse nicht einfach auf den Menschen übertragen. Menschen sind Wirbeltiere und haben Facebook. Hier muss man noch mal ganz von vorne anfangen. Wissenschaftler, die sich mit unseren Darmbakterien beschäftigen, müssen eine noch fast unbekannte neue Welt verstehen und in Bezug zu der großen Welt setzen. Sie müssen wissen, wer da wie in unserem Darm wohnt.
    Also noch mal – und jetzt genauer: Wer sind sie???
    In der Biologie ordnet man gerne. Das funktioniert beim eigenen Schreibtisch genauso wie bei unserer Erde. Zuerst einmal wird alles in zwei große Schubladen gepackt: Lebendiges kommt in die eine, Nicht-Lebendiges in die andere. Dann wird weiter unterteilt. Alles Lebendige wird in drei Bereiche aufgeteilt: Eukaryoten , Archaeen und Bakterien. Von allen dreien findet man auch Vertreter im Darm. Ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage: Jeder der drei hat einen gewissen Charme.
    Eukaryoten bestehen aus den größten und komplexesten Zellen. Sie können mehrzellig und ziemlich groß werden. Ein Wal ist ein Eukaryot . Menschen sind Eukaryoten . Ameisen übrigens auch, obwohl sie schon viel kleiner sind. Eukaryoten lassen sich nach der modernen Biologie in sechs Untergruppen aufteilen: amöbig kriechende Wesen, Wesen mit »Scheinfüßchen« (also ohne echte Füße), Pflanzenartige, Einzeller mit Mundgruben, Algige und Opisthokonta .
    Falls der Begriff Opisthokonta (griechisch für »Hinterpolige«)nicht bekannt ist: Das sind alle Tiere, inklusive Menschen, aber auch Pilze. Wenn man also einer Ameise auf der Straße begegnet, darf man biologisch korrekt seinem Opisthokonta -Kollegen zuwinken. Die häufigsten Eukaryoten im Darm sind Hefen, die im Übrigen auch zu den Opisthokonta gehören. Wir kennen sie zum Beispiel aus dem Hefeteig, es gibt aber noch viele andere Hefen.
    Archaeen sind irgendwie so ein Zwischending. Keine richtigen Eukaryoten, aber auch keine Bakterien. Ihre Zellen sind klein und komplex. Um dem etwas verwaschenen Image etwas entgegenzusetzen, könnte man sagen: Archaeen s ind echt krass. Sie stehen auf die Extreme im Leben. Es gibt Hyperthermophile , die sich bei über 100 °C richtig wohl fühlen und oft bei Vulkanen abhängen. Acidophile , die in hochkonzentrierten Säuren umherschippern. Barophile , die großen Druck auf ihre Zellwände mögen wie auf dem Meeresgrund. Und Halophile , die am besten in stark versalzten Gewässern klarkommen (das Tote Meer finden sie prima). Die wenigen, die sich auf ein Leben im relativ unextremen Labor einlassen, sind meist die kälteliebenden Archaeen . Sie mögen die - 80 °C-Gefrierschränke. In unserem Darm kommt oft eine Archaeen -Art vor, die vom

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