Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
etwa Ingwer anspricht. Die Bakterienfamilien unseres Körpers haben unterschiedliche Eigenschaften. Sie spalten Nahrung auf verschiedene Weise auf, stellen diverse Stoffe her und entgiften bestimmte Gifte. Außerdem könnten sie die Darmflora dadurch beeinflussen, dass sie jeweils andere Bakterien fördern oder bekriegen.
Bacteroides
Bacteroides sind die bekannteste Darmfamilie und bilden oft die größte Fraktion. Sie sind die Meister der Kohlenhydrataufspaltung und besitzen eine riesige Sammlung an genetischen Bauplänen, mit denen sie bei Bedarf jedes Aufspaltungsenzym herstellen können. Ob wir ein Steak essen, einen großen Salat oder betrunken an einer Bastmatte kauen – Bacteroides checken sofort, welche Enzyme sie brauchen. Egal, was kommt, sie sind dafür gewappnet, daraus Energie zu machen.
Durch ihre Fähigkeit, aus allem das Maximum herauszuholen und an uns weiterzugeben, sind sie unter Verdacht geraten, uns leichter Gewicht ansetzen zu lassen als andere. Tatsächlich scheinen Bacteroides Fleisch und gesättigte Fettsäuren zu mögen. In Därmen von Menschen, die gerne viel Wurst und Co. essen, kommen sie häufiger vor. Machen sie nun fett, oder kommen sie durch Fett? Diese Frage ist noch unbeantwortet. Wer Bacteroides beherbergt, hat vermutlich auch ein Faible für ihre Kollegen: die Parabacteroides . Die sind ebenfalls besonders geschickt dabei, möglichst viele Kalorien an uns weiterzugeben.
Dieser Enterotyp fällt unter anderem auch dadurch auf, dass er besonders viel Biotin produzieren kann. Andere Begriffe für Biotin sind auch Vitamin B 7 oder Vitamin H. Vitamin H wurde es in den dreißiger Jahren getauft, weil es eine Hautkrankheit heilen kann, die durch den Verzehr von zu viel rohem Eiweiß auftritt. H wie »Heilen« ist vielleicht nicht besonders kreativ, aber irgendwie kann man es sich trotzdem immer merken.
Vitamin H neutralisiert einen Giftstoff, der sich in rohen Eiern befindet: Avidin. Die Hautkrankheit kommt nur deshalb zustande, weil man zu wenig Vitamin H hat. Zu wenig Vitamin H hat man, weil es damit beschäftigt ist, das Avidin zu neutralisieren. Der Genuss von rohem Eiweiß verursacht also Vitamin-H-Mangel, der dann wiederum zu einer Hautkrankheit führen kann.
Ich weiß nicht, wer damals so viel rohe Eier gegessen hat, dass man diesen Zusammenhang überhaupt erkennen konnte. Wer in Zukunft so viel Avidin essen könnte, dass es eng wird mit dem Vitamin H, lässt sich schon eher beantworten: Schweine, die sich blöderweise in ein Feld mit Genmais verirrt haben. Um den Mais weniger anfällig für Schädlinge zu machen, hat man ihn mit Genen versetzt, mit deren Hilfe er Avidin herstellen kann. Verzehren Schädlinge oder naive Schweine den Mais, vergiften sie sich damit. Sobald man diesen Mais allerdings kocht, ist er in Sachen Avidin so genießbar wie gut durchgekochte Frühstückseier.
Dass unsere Darmmikroben einiges an Vitamin H herstellen können, weiß man auch deshalb, weil manche Leute mehr davon ausscheiden, als sie aufgenommen haben. Da keine menschliche Zelle es produzieren kann, bleiben nur noch unsere Bakterien als heimliche Fabrikanten übrig. Wir brauchen es nicht nur für »schöne Haut, glänzende Haare und feste Nägel«, wie das so manche Tablettenpackung im Drogeriemarkt nahelegt. Biotin ist an elementar wichtigen Stoffwechselprozessen beteiligt: Wir stellen damit Kohlenhydrate und Fette für unseren Körper her und bauen Proteine ab.
Ein Mangel an Biotin kann neben Störungen von Haut, Haaren und Nägeln beispielsweise auch depressive Stimmung, Schläfrigkeit, Infektanfälligkeit, Nervenstörungen und erhöhte Cholesterinwerte hervorrufen. Hier ein dickes ACHTUNG : Die Liste von Symptomen bei Vitaminmangel ist bei jedem Vitamin beeindruckend. Man kann sich ziemlich sicher immer angesprochen fühlen. Wichtig ist: Man kann auch mal einen Schnupfen haben und ein bisschen lethargisch sein, ohne gleich unter Biotinmangel zu leiden. Und man hat natürlich eher hohe Cholesterinwerte durch den Genuss von einer großen Portion Speck als nach einem leicht glibberigen Frühstücksei mit Avidin.
Wer allerdings zu einer Risikogruppe gehört, darf an Biotinmangel denken. Dazu zählt, wer über einen längeren Zeitraum Antibiotika einnimmt, zu viel Alkohol trinkt, wem ein Stück Dünndarm entnommen wurde, wer auf Dialyse angewiesen ist oder bestimmte Medikamente nehmen muss. Diese Menschen brauchen mehr Biotin, als sie über das Essen aufnehmen können. Eine »gesunde«
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