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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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was lange Zeit unmöglich schien. Werden männliche Ratten mit einem bestimmten Fungizid vergiftet, sind ihre männlichen Nachkommen noch in der vierten Generation weniger fruchtbar und anfälliger für Krebs als andere. Weibchen meiden diese Männchen, als würden sie die Gefahr riechen. Mäuse, die Kokain inhaliert haben, vererben ihre Gedächtnisprobleme.
    Doch auch an Menschen sind epigenetische und sogar lamarckistische Muster dingfest gemacht worden. Gesunde Ernährung oder Umgang mit Giften reichen aus, Gene dauerhaft anzuschalten oder stillzulegen. Während unseres ganzen Lebens können wir unser Genom durch epigenetische Einflüsse an äußere Verhältnisse anpassen. Deshalb weisen eineiige Zwillinge unterschiedlichere »Epigenome« auf, je verschiedener und länger getrennt voneinander sie leben.
    Eine Form von Darmkrebs kann dadurch zustande kommen, dass das Gen für die Bildung eines bestimmten Enzyms abgeschaltet ist. Bei den Nachkommen einer Mutter mit dieser Krankheit fanden Forscher im Jahr 2007 zwei Kinder mit normal aktiviertem Gen, aber einen Sohn mit der gleichen Deaktivierung wie bei der Mutter: Offenbar hat sie ihm das Krebsrisiko epigenetisch vererbt. Für eine Reihe weiterer Krankheiten wie multiple Sklerose oder Alzheimer werden
ebenfalls epigenetische Ursachen diskutiert - auch ein Grund, warum moderne Therapieforscher ihr Augenmerk wieder mehr auf die Umwelt lenken.
    Womöglich beruht auch die derzeitige Typ-II-Diabetes- und Fettsuchtepidemie in der westlichen Welt auf solch einem Phänomen. Niederländische Männer, deren Mütter in der Hungerzeit der Jahre 1944 und 1945 das erste Drittel ihrer Schwangerschaft verbrachten, sind überdurchschnittlich häufig fettleibig: Das Hungersignal während ihrer frühen Entwicklung könnte sie zu Vielfraßen und besseren Futterverwertern gemacht haben, wie es in Notzeiten sinnvoll ist.
    Ein erster echter Hinweis auf einen lamarckistischen Vorgang auch in der biologischen Evolution: Offenbar verfügen Arten über die rein genetische Variabilität hinaus über Möglichkeiten, sich relativ schnell neuen Verhältnissen anzupassen. Wenn man bedenkt, dass auch die Hauptunterschiede zwischen Individuen einer Spezies im Muster der ein- und ausgeschalteten Gene liegen, ist das ein nicht unbedeutender Tatbestand. Er besagt, dass ein Organismus ohne jede genetische Veränderung oder Mutation sein Genom auf eine Umwelt einstellen kann - was die Macht der Gene weiter beschneidet. Er besagt aber auch, dass der Lebensstil der Eltern weitaus mehr Einfluss auf das Gedeihen ihres Nachwuchses hat als bis vor Kurzem angenommen.
    Durch diesen Umwelt-Lamarckismus bekommt Darwin mit seiner Pangenesis-Theorie auf eine seltsame Weise wieder ein Stück weit recht. Auch ohne dass es dazu seine »Gemmulae« bräuchte, und ohne jede unmittelbare Veränderung der Gene können sich Erfahrungen - epigenetisch - vererben.
     
    Ich hätte nie geglaubt, so etwas mit einem Maori-Haudegen im fernen Neuseeland erörtern zu können. George Wells ist so einer, den alles interessiert, vor allem Zusammenhänge. Auf dem Rückweg von der ehemaligen Missionsstation in Waimate bin ich noch einmal bei den Kawitis mit ihrer Glühwürmchenhöhle vorbeigefahren. Dort könnte eine Reise zum Mittelpunkt der Erde beginnen. Wenn alles Licht gelöscht ist, spannt sich tief im Innern der schwarzen Höhle ein Himmel aus lebendigen Glitzerpunkten. Erst allmählich beginnt das Auge zu begreifen. Die leuchtenden Insekten verteilen sich nicht zufällig, sondern zeichnen zerklüftete Konturen der Höhlendecke nach. Dann
springt das Bild, ich meine, auf den nächtlichen Planeten mit seinen flackernden Lebenszeichen zu blicken, die sich manchmal zu Siedlungen verdichten. Und wenn ich den Atem anhalte, dann höre ich die Stille des Alls.
    Als ich wieder ins Freie trete, weiß ich, was Hundertwasser und Bill Gates hierhergelockt hat. George steigt vom Traktor und streckt mir wie eine Drohung seine Hand entgegen. Der gleiche Blaumann, derselbe offenherzige Blick und immer neue Fragen. »Was, denkst du, sind die zwei wichtigsten kulturellen Errungenschaften unserer Zeit?« - »Das Internet?« - »Das Fernsehen.« - »Da kenne ich andere Meinungen.« - »Ich habe fast alles, was ich weiß, durch fernsehen gelernt.« - »Das hättest du auch aus Büchern holen können.« - »Aber im Fernsehen wird es mir erzählt. Ich kann auf meiner Couch sitzen und mir die Welt erklären lassen.« - »Die meisten lassen sich eher das

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