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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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gewichtigen Ausnahmen, genauso abgelaufen, wie Darwin es vorgeschlagen hat.
    Doch sein später Triumph geht beinahe unter neben den neuen grandiosen Träumereien, von Menschenhand in den mehr als 3,7 Milliarden Jahre alten Prozess einzugreifen und die Evolution ingenieurmäßig zu verbessern. Die Natur bedient sich eines so genial einfachen Mechanismus, dass die neue »Gentechnologie« sich innerhalb eines Vierteljahrhunderts fast alle wichtigen Werkzeuge verschafft, um das Erbgut beinahe nach Belieben zu entschlüsseln und zu verändern. Über die Keimbahn findet sie das Einfallstor in das Wesen der Arten und schließlich auch in die Natur des Menschen.
    Auch wenn die christliche Religion weiter an der Doktrin ihres
Kirchenvaters Augustinus festhält, dass es nur ein »Buch des Lebens« geben kann, und das ist die Bibel, sprechen Biologen mit dem gleichen Begriff das Genom an. Das Gen mit seinem einfachen Aufbau aus den immer gleichen vier Bausteinen wird wie das Wort in der Sprache zum Element des Lebens, zum Paradigma der Biowissenschaften, zur Metapher im gesellschaftlichen Diskurs. Als Alleskönner sollen Gene bestimmen, woher wir kommen, wer wir sind und wie wir uns verhalten. Doch damit wird ihre Rolle, wie sich immer klarer herausstellt, weit überschätzt.
    Nebenbei versetzt die moderne Genforschung dem Lamarckismus scheinbar den endgültigen Todesstoß: Information bewegt sich nach dem »Dogma der Molekularbiologie« auch molekular auf einer Einbahnstraße. Sie kann nur von der DNA über deren Schwestermolekül RNA (Ribonukleinsäure) zum Protein übersetzt werden, nicht in die andere Richtung: Die Gene in der Keimbahn bleiben somit nach der damaligen Vorstellung vor den Willfährigkeiten des Lebens geschützt - es gibt keinen Weg vom Giraffenhals zurück zum Giraffensperma oder -ei.
    So schön das Bild von der Doppelhelix als unendlich verschlungenem Schlangenpaar ist, so fatal sind die Missverständnisse aus der Buchmetapher. Die »Schrift« aus den vier »Buchstaben« A, T, C und G ist in Wahrheit nur eine Vorstufe, die erst nach einer Dekodierung gelesen werden kann - wie die digitale Spur auf einer Compact Disc. Erst das Programm des Dechiffriergeräts oder des biochemischen Apparats der Zelle erweckt den Inhalt zum Leben. Die Daten sind verschlüsselt wie in einer Morseschrift. Die eigentlichen »Wörter« finden sich erst auf der Ebene der Eiweiße, die ihre komplexen Funktionen dem Aufbau aus wenig mehr als zwanzig unterschiedlichen Aminosäuren verdanken. Die Schrift hat also nicht vier, sondern über zwanzig Buchstaben.
    Wenn es manchmal heißt, die Wissenschaft habe »den genetischen Code geknackt«, dann beschränkt sich das allein auf diese erste Ebene: Forscher können die Morsezeichen der vier Basen lesen und in »Wörter« übersetzen. Wenn unser Genom aus gut zwanzigtausend Genen besteht, dann entspräche das im Bild des Buches einem Wortschatz, über den nur wenige Menschen verfügen. Die Vielfalt dessen, was Sprache beschreiben kann, geht gegen unendlich und bleibt gleichzeitig
in engen Grenzen: Nur die wenigsten Kombinationen von Wörtern ergeben einen Sinn. So ähnlich kann man sich das auch bei den Genen vorstellen. Die Möglichkeit, sie zu kombinieren, übersteigt alles Darstellbare. Die Zahl der sinnvollen Gruppierungen, aus denen Organismen hervorgehen, ist dagegen beinahe überschaubar.
    Genau an dieser Stelle bricht das Bild auseinander. Ab hier beginnen Missverständnis und Missbrauch, sobald es um die Ideologisierung der Biologie geht. Denn so einfach das »Buch des Lebens« anfangs erschien, so unendlich viel komplizierter ist es mittlerweile geworden. Das fängt schon damit an, dass von keinem einzigen Gen irgendeines Lebewesens die Gesamtheit aller seiner Funktionen bekannt ist. Ein und derselbe Eiweißstoff kann zudem in unterschiedlichen Zusammenhängen viele verschiedene Funktionen haben - etwa so, wie sich der Sinn eines Wortes oft nur aus dem Zusammenhang ergibt: Ob ein Tennisspieler einen Satz nach vorn macht, ob er einen Satz gewinnt oder einen Satz neuer Bälle verlangt, ob er einen Satz sagt oder mit dem Satz seiner Steuer zufrieden ist - was mit »Satz« gemeint ist, bestimmt der Satz, in dem das Wort »Satz« erscheint. Die Listen, die allein die bekannten Funktionen des Eiweißstoffs Insulin aufzählen, reichen bereits über Seiten. Und immer wieder kommen neue hinzu.
    Offenbar können aus einem Gen auch unterschiedliche Eiweiße hervorgehen. Außerdem können

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