Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
sich Gene aus DNA-Abschnitten zusammensetzen, die aus unterschiedlichen Regionen des Genoms stammen. Sie können unterbrochen sein, im Genom hin und her springen, durch chemische Anhängsel kurzzeitig oder dauerhaft aktiviert oder deaktiviert werden.
Sogenannte Knock-out-Mäuse, bei denen gezielt bestimmte Erbanlagen ausgeschaltet wurden, offenbaren darüber hinaus eine verblüffende Plastizität biologischer Abläufe: In vielen Fällen kann der Organismus den kompletten Ausfall eines Gens kompensieren - aber wie, weiß niemand. Wir wissen ebenfalls nicht, warum die Erbsubstanz des Huhnes mehr DNA-Bausteine enthält als die des Menschen, warum Karpfen 104 Chromosomen haben, Hunde 78, wir aber »nur« 46. Das Genom entpuppt sich mehr und mehr als dynamischer, multidimensionaler Kosmos, der wie ein perfektes, äußerst störsicheres Uhrwerk nach Regeln läuft, die noch niemand kennt.
So wie sich der Sinn von Wörtern aus dem Zusammenhang ergibt, so entsteht sinnvolle Sprache erst aus der grammatikalischen Abfolge der Wörter. Sätze bilden die nächsthöhere Informationsebene. Sie wiederum lassen sich nur in bestimmten Reihenfolgen aneinanderfügen, wenn sie zusammen einen sinnvollen Text ergeben sollen. Die Grammatik der Sprache mit Wortbedeutung und Satzbau hat jeder so im Kopf, dass wir nicht darüber nachdenken müssen. Wer kann schon für alles, was er von sich gibt, die Regeln benennen?
Von der Grammatik des Lebens haben auch die größten Experten noch keine Ahnung. Wir wissen nicht einmal, was genau die nächsthöhere Ebene ist, was die Sätze der Genetik sein könnten. Was wir aber wissen (und deshalb ist das Bild vom Buch des Lebens ebenfalls falsch): Die »Wörter« reihen sich nicht wie in Texten einander. Vielmehr bewegen sich Eiweiße, niemand weiß genau, wie, als räumliche Strukturen im Zellplasma und erfüllen dort unterschiedlichste Funktionen.
Das raumzeitliche Zusammenspiel dieser Proteine mit RNA und DNA macht im Wesentlichen das aus, was wir Leben nennen - winzige dreidimensionale Körper im Zellsaft, die sich gegenseitig aufoder abbauen, die sich umarmen oder verbinden, um gemeinsam neue Funktionen zu übernehmen. Von alledem versteht die Wissenschaft so viel, als ob sie vor einem Haufen Wörter säße, die noch kein Kopf zu einem Buch geordnet hat.
Der Code der Gene ist noch lange nicht »geknackt«. Das Buch des Lebens trägt nach wie vor die meisten seiner sieben Siegel. Angesichts dieser Ignoranz erscheint es daher ziemlich vermessen, welche Zukunftsvisionen von manchen Bioforschern gehandelt werden. Sie wollen ein Buch umschreiben, dessen Sprache sie nicht verstehen. Sie kennen allein die Bedeutung und übliche Schreibweise einiger Wörter.
Aus dem Sonderfall »monogenetischer«, durch fehlerhafte Allele hervorgerufener Krankheiten leiten sich im Grunde alle ernst zu nehmenden Versprechungen der Gendoktoren ab. Prinzipiell bieten sich ihnen zwei Wege an, solche »Fehler« zu korrigieren. Der eine wird bereits beschritten, wenn die vorgeburtliche genetische Analyse eine schädliche Mutation aufspürt und deshalb ein Kind nicht ausgetragen
wird. Neben dieser künstlichen Selektion versprechen sich Bioforscher von der Manipulation des Erbguts eine »Gentherapie«.
Würde es technisch gelingen, ein fehlerhaftes Gen durch ein gesundes Allel zu ersetzen und damit eine Krankheit zu verhindern, dann hätte das ungefähr den gleichen Effekt, wie wenn in allen Maschinen einer Serie ein schadhaftes Teil ausgetauscht würde, das immer wieder zu Problemen geführt hat. Gelänge dies nicht nur in den Körperzellen, sondern auch in der Keimbahn, also in der Produktionskette, dann ließe sich das Ersatzgen auf alle Nachkommen übertragen. Das unerwünschte Allel könnte sich ganz aus einer Linie entfernen lassen. Andrerseits denken Forscher auch bereits darüber nach, fremde Gene in ein Genom einzuführen, etwa um das Gedächtnis eines Menschen zu verbessern.
Solch ein Austausch und Einbau von Genen markiert einen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte. Die Spezies griffe durch kulturelle Mittel in ihre eigene biologische Evolution ein. Wie im Bild von M. C. Escher, wo sich ein Bleistift selber zeichnet, werden die Macher zugleich die Gemachten. Womöglich erstmals in der Geschichte des Universums greifen Produkte »intelligent« in den Prozess ihrer eigenen Erzeugung ein. Aus kreationistischer Sicht verändern Genforscher - was sie an Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen längst tun - die
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