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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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Pläne des Großen Designers und »spielen Gott«.
    Gene enthalten nicht einzeln, sondern gemeinsam die Information für den Bau des Körpers, für Reflexe und Instinkte, die zum Körper gehören, als wären sie ein Stück von uns. Selbst wenn wir noch so viel Grips dagegensetzen, so lösen bestimmte Situationen doch Reaktionen wie Angst oder Erregung aus. Aber auch ein Verkehrsschild kann lebensrettend sein, weil wir seine Bedeutung kennen, die in einem kulturellen Akt entstanden ist. Wenn es dann noch mit seiner roten Farbe unsere Aufmerksamkeit erhöht, verdanken wir das tatsächlich der Biologie.
    Richard Dawkins hat diesen Unterschied deutlich erkannt. Entsprechend dem Gen in der Biologie erfindet er als kleinste Einheit in der Kultur das »Mem«. Es soll uns ebenso eigensüchtig seinem Diktat unterwerfen wie das »Egoistische Gen«: Meme sind Ideen, Schlagwörter, Melodien, Glaubensrichtungen, Weltanschauungen. Mit seinen Memen kommt Dawkins einem darwinistischen Nihilismus ziemlich
nahe: Nicht kreative Denker stehen im Wettstreit der Ideen, sondern ihre Gedanken wie kalte körperlose Gestalten.
    Das wäre nichts als ein hübscher Einfall, würde nicht auf dem Umweg des Mems das Gen in den Bereich der Kultur geschmuggelt. Denn nach Dawkins züchten die Meme sich genau jene Menschen heran, die am besten zu ihrer Weiterverbreitung taugen. Wer demnach die schlechteren Meme aufweist, geht im Kampf ums Dasein unter. Doch was auf der Gen-Ebene als interessante Perspektive zumindest neuartige Forschungsfragen aufgeworfen hat, ist bei den Memen folgenlos geblieben. Denn sie widersprechen einem grundlegenden Prinzip Darwin’scher Evolution: Sie hat kein Ziel. Kultur kann sich jedoch Ziele setzen und sie erreichen.
    Eine Theorie der kulturellen Evolution als Untereinheit der biologischen hat Dawkins mitnichten geliefert. Denn unabhängig von der Ausstattung mit Genen, die jeder von den Eltern ohne deren Einfluss auf den »Inhalt« mitbekommt, bestimmen Erziehung, Bildung und Umfeld darüber, welche kulturellen Ideen den Lebensweg prägen. Damit funktioniert kulturelle Evolution eindeutig lamarckistisch: Erlerntes, also »erworbene Eigenschaften«, wird weitergegeben und prägt den Einzelnen über sein biologisches Erbe hinaus. Das kann sich seinerseits bis hinunter auf die Ebene der Gene auswirken, wie neueste Forschungen zu ihrer Regulation zeigen. Der gesamte Stoffwechsel - und damit der biologische Kern unseres Seins - hängt davon ab, ob sie »ein-« oder »ausgeschaltet« sind.
    Die Rolle solch »epigenetischer« Mechanismen wird sofort deutlich, wenn man sich die verschiedenen Körpergewebe und -organe wie Muskeln, Leber oder Gehirn anschaut: Alle Zellen besitzen dasselbe Genom. Ihre Funktion wird dadurch bestimmt, welche Gene aktiv sind und welche nicht. Forscher sprechen auch von »geprägten« Genen. Die Aktivierungen und Deaktivierungen finden nach einem festgelegten Plan bereits bei der Entwicklung des Embryos statt und bleiben uns lebenslang erhalten: Aus einer Darm- wird keine Herzzelle. Embryonale Stammzellen dagegen können sich, je nachdem, welche Gene während der Entwicklung aktiviert oder deaktiviert werden, noch in alle Richtungen entwickeln. Sie sind »pluripotent«.
    Ein dramatischer epigenetischer Effekt ist bei Bienen bekannt: Nur die eine Larve, die mit dem Gelee Royal gefüttert wurde, wächst zur
fortpflanzungsfähigen Königin heran. Die anderen werden Arbeiterinnen ohne Chance, sich zu vermehren. Im März 2008 konnten australische Forscher zeigen, dass es auch ohne Gelee geht: Als sie einen Mechanismus zum Ein- und Ausschalten von Genen (über »Methylierungen«) unterbrachen, entwickelten sich die meisten Bienenlarven bei normaler Ernährung zu Königinnen. In einem anderen Fall haben Wissenschafter in den USA die Wirkung eines dick machenden, Diabetes und Krebs fördernden Gens in Mäusen in der nächsten Generation neutralisieren können, indem sie den Müttern viel Nährmaterial (Methylgruppen) für epigenetische Aktivierungen fütterten: Sobald mehr aktivierendes Material zur Verfügung steht, kann sich der Organismus vor der Gefahr schützen, die den Eltern drohte - die individuelle Zaubermedizin von morgen, ohne direkte Eingriffe ins Genom.
    In jüngster Zeit mehren sich Forschungsresultate, die einen viel größeren Zusammenhang vermuten lassen: Epigenetische Muster können sich offenbar auf Kinder und über mehrere Generationen auf deren Nachkommen übertragen - also lamarckistisch,

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