Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
naht.
»O ja, das Ersatzteil haben wir da«, sagt der Verkäufer. Der Preis, den er nennt, entspricht dem für ein neues Gerät. Doch dann passiert erneut ein kleines Wunder. Ein junger Australier indischer Abstammung kommt von hinten aus der Werkstatt. »Kann ich Ihren Rechner mal sehen? Wie ist das passiert? Kaffeetasse? Ist doch seltsam, letzte Woche hat mir ein Kunde seinen nagelneuen Laptop gleichen Typs gebracht, dem ist das Gleiche passiert. Bei ihm ist der Kaffee in die Tastatur geflossen. Sein Rechner ist tot. Aber wissen Sie was? Der Bildschirm müsste noch funktionieren.« In wenigen Minuten hat er ihn ausgetauscht. Für einen Bruchteil des Preises. Das Fenster in meine Reisebibliothek ist wiederhergestellt. Man kann so etwas Zufall nennen. Allein, es fühlt sich an wie Fügung.
Australien steht unter einem guten Stern. Das hat sich schon im fernen Chile angekündigt, in Puerto Williams auf Jemmy Buttons Insel Navarino, bei strömenden Regen im »Angelus«, dem einzigen geöffneten Café. Dort war ich mit einem deutsch sprechenden Briten und seiner Münchner Freundin ins Gespräch gekommen, die in Sydney leben. Ich erkundigte mich bei ihnen nach dortigen Unterkünften, da brachte Steve seinen Campingbus ins Spiel. »Wenn du willst, kannst du ihn haben und mir später nach Melbourne bringen.« Nichts lieber als das. Der Camper von Volkswagen gehört zu den schönsten deutschen Erfindungen des 20. Jahrhunderts. Eine ganze Generation hat damit friedlich Kontinente erobert. Ein rollendes Zuhause zum Gernhaben, auch wenn es klappert, kaum hundert fährt, nach Benzin stinkt, seine Fenster sich nur mit einer Rohrzange kurbeln lassen und sein Alter das seines Besitzers übertrifft. My car is my castle.
Ich breche auf Darwins Spur von Sydney in die Blue Mountains auf. Der erste Abschnitt führte uns nach Paramatta, eine kleine Stadt, in der Bedeutung Sydney nachgeordnet. Hier schlägt die Normuhr für FitzRoys chronometrische Messungen. Offenbar geht bei seinem Besuch im Hause des Uhrenbeauftragten sein Temperament wieder mit ihm durch. »Könnte Ihr guter Vater dazu bewegt werden, mir meine jüngsten Beleidigungen zu vergeben?«, schreibt er dem Sohn seines Gastgebers. Ich frage mich oft, welches Ende es mit ihm nehmen wird, vertraut
Darwin seiner Schwester Susan an. Unter vielen Umständen bin ich sicher, dass es brillant sein wird, unter anderen fürchte ich ein sehr unglückliches.
Der VW-Bus kommt kaum schneller voran als ein gutmütiger Gaul. Dafür hat er Persönlichkeit. Und Musik. Darwin mietete einen Mann und zwei Pferde und macht sich mit ihnen auf den Weg. Dadurch hoffte ich, einen allgemeinen Eindruck vom Gepräge der Landschaft zu erhalten. Er führt mich zu den schönsten Aussichten des Gebirges, nicht einmal drei Stunden von Sydney entfernt. Das ist kein Zufall. Er reist damals schon mit gedrucktem Reiseführer. So erzählt es Frank Nicholas, ein emeritierter Genetikprofessor aus Sydney, der als Laienhistoriker ein Büchlein über Darwins Tage in Australien geschrieben hat. Der Mann kennt jeden Meter, den Darwin gegangen ist. Wir treffen uns am Bahnhof von Wentworth Falls am Great Western Highway. Der »Charles Darwin Walk« kündigt sich weithin sichtbar durch eine Tafel am Eingangstor an.
Wir erreichen den Wasserfall, wo eine Plakette auf den Fels geschraubt ist: »Charles Darwin passed this way 1836. Remembered by his friends 1986.« Der Hobbyautor - weißer Frotteehut, verwaschenes Polohemd, halb lange Hose, kurze Socken in ausgelatschten Landarbeiterstiefeln - nimmt sein Buch aus der ökologisch korrekten Stofftasche und rezitiert unseren Helden. Zur Mitte des Tages hin fütterten und tränkten wir unsere Pferde bei einer kleinen Herberge mit Namen Wheatherbord. … Wanderer bleiben stehen und lauschen Darwins Worten. Ungefähr anderthalb Meilen von dort bietet sich ein höchst lohnenswerter Blick. Folgt man einem kleinen Tal mit seinem winzigen Wasserlauf, öffnet sich durch die Bäume, die den Weg säumen, unvermittelt ein gewaltiger Schlund, der vielleicht 1500 Fuß tief ist. Ein Rentnerehepaar ist begeistert. »Look, honey, it’s the same, it’s all the same!« Die Freude, wenn sich ein Stück Welt in hundertfünfzig Jahren kaum verändert hat. Der Ausblick über den gewaltigen Einschnitt des St. Regent’s Glen gehört bislang zu den grandiosesten der Reise.
Doch Darwins Reiseführer kennt noch einen großartigeren. Etwa eine Stunde weiter westlich in die Berge hinein erreichen wir
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