Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Form von Chancengleichheit, bei der Talente mehr zählen als Taler, gesteht der Darwinismus den Menschen nicht zu, und zwar durchaus in Darwins Sinn.
Die fünf Buchstaben seines Schattens haben ihren Ursprung in einer Tautologie, dem »Survival of the Fittest«. Den Kampf ums Dasein, sagt er, überleben die Tauglichsten, korrekter gesagt, die am besten Angepassten. Oder als tautologische Beschreibung des Status quo: Sieger ist, wer gesiegt hat. Die Formel gehört zu den folgenreichsten, die je ein Forscher zu Papier gebracht hat. Sie geht allerdings nicht auf Darwin zurück, sondern auf den Soziologen Herbert Spencer - und damit wiederum auf ein Gesellschaftsmodell.
Spencer gilt als Begründer des Sozialdarwinismus, obwohl er dessen heutige Thesen nie geteilt hätte. Er glaubt an kulturelle Evolution, an Evolution total, vom All bis in die Seele, vom Molekül bis zur Moral. Krankes, Schwaches und Entartetes merzt sich im Daseinskampf selber aus, das Bessere ist der Feind des Guten. In der »Entstehung der Arten« von 1859 findet er das gesuchte Stück Biologie für seine Weltanschauung.
Darwin übernimmt die Sprechweise vom Survival of the Fittest erst ein paar Jahre später. In seinem Hauptwerk taucht sie, um die allzu menschgesteuert klingende natürliche Auslese zu entschärfen, erstmals in der fünften Auflage 1869 auf. Da schreibt er bereits an seinem Nachfolgebuch über »Die Abstammung des Menschen«. Darin äußert er sich, in Anlehnung an Malthus, auch politisch: »Alle sollten
sich des Heiratens enthalten, welche ihren Kindern die größte Armut nicht ersparen können. Die Armut ist nicht nur ein Übel, sondern führt auch zu ihrer eigenen Vergrößerung.«
Gleichzeitig räumt er ein, »dass ich in den früheren Ausgaben meiner Entstehung der Arten wahrscheinlich der Wirkung der natürlichen Zuchtwahl oder des Überlebens des Passendsten zu viel zugeschrieben habe... dies ist eines der größten Versehen, welches ich bis jetzt in meinem Werk entdeckt habe«. Doch da ist der Geist schon aus der Flasche. Er beherrscht bis heute, wenn auch unausgesprochen, den gesellschaftlichen Diskurs.
Der Biologe Ernst Haeckel verbreitet Darwins Lehre noch zu dessen Lebzeiten vor allem in Deutschland wie kein anderer. Er macht die natürliche Auslese zum Teil einer »universellen Entwicklungstheorie, die in ihrer enormen Spannweite das ganze Gebiet des menschlichen Wissens umfasst«. Er stellt biologischen Darwinismus in den Dienst politischer Ideologie, erklärt Selektion und Konkurrenz zur Grundlage gesellschaftlichen Fortschritts und versteht den deutschen Nationalstaat als darwinistisches Projekt. Und wie kein anderer verschafft er dem Rassismus ein wissenschaftliches Fundament.
»Diese Naturmenschen«, schreibt er in seinen »Lebenswundern«, »stehen in psychologischer Hinsicht näher den Säugethieren (Affen, Hunden), als dem hochcivilisirten Europäer; daher ist auch ihr individueller Lebenswerth ganz verschieden zu beurteilen.« Wenn es heißt, die Nazis und andere Tyrannenregime beriefen sich auf Darwin, dann ist damit eigentlich Haeckel gemeint.
Schuld im Sinne von Vorsatz trifft Darwin nicht. Anders als Haeckel betrachtet er Menschen aller Hautfarben als Vertreter einer Art. Gleichwohl sieht er im Geiste seiner Zeit »Rassen« auf unterschiedlichen biologischen Entwicklungsstufen - als seien die einen, zu denen er selbst gehört, durch natürliche Selektion höher gezüchtet. Die anderen, glaubt er fälschlicherweise, brauchen noch viele Generationen, bis sie seinen Stand erreichen. In den Differenzen sieht er sogar »Beweise, dass alle zivilisierten Nationen einst Barbaren waren« .
Heute wissen wir, dass der Begriff »Rasse«, wie ihn Züchter benutzen, auf Menschen übertragen keinen Sinn ergibt. Unsere Spezies ist trotz Eugenik und Rassenwahn kein Resultat gezielter Züchtung.
Eher entsprechen wir alle Promenadenmischungen, die sich innerhalb einer Population individuell mehr unterscheiden können als von Kontinent zu Kontinent.
Barack Obama als Mischling mit europäischstämmiger Mutter und afrikanischem Vater überbrückt den Rubikon der Rassen weiter als je ein Mensch zuvor. Mit ihm erhält das Zeitalter des Postrassismus ein Gesicht. Seinen Triumph verdankt er nicht geerbten Privilegien, sondern ererbten Begabungen und der Chance, sie durch gute Bildung zu entwickeln. Er liefert den lebendigen Beweis für die Richtigkeit eines der wichtigsten Prinzipien zur Befriedung der Welt: Chancengleichheit
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