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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tectum Wissenschaftsverlag Marburg
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B. Start- und Stoppsequenzen, die in unterschiedlicher Entfernung vor und hinter den codierenden Bereichen liegen. Aber auch die informationstragenden Bereiche selbst – also die in Proteine ex primierten Regi on en („exons “) – werden durch scheinbar gehaltlose int ervenierende Regi on en („introns “) quasi zerstückelt. Man spricht daher auch von Mosaikgenen. Nach der Abschrift der DNA werden die nicht-codierenden
introns
„herausgespliced“ und so die Kontinuität der Erbinformation hergestellt. Durch unterschiedliche Schnittführungen eröffnet sich im Rahmen dieses DNA-Splicing eine große Variationspalette für die gefertigten Produkte (Proteine). Für evolutive Veränderung sind solche Wandlungspotenzen von größter Bedeutung. So zeigen verschiedene Tier- und Pflanzenarten auch sehr unterschiedliche Anteile und Verteilungen solch intervenierender Sequenzen.
    Ferner konnten einer Reihe nicht-codierender Bereiche bereits wichtige genregulatorische Funktionen für die Ontogenese (Individualentwicklung) zugeordnet werden, so etwa als Steuerfaktoren während der Embryonalentwicklung. Andere, hoch repetitive (vielfach wiederholte) Sequenzen haben sich etwa als „springende Gene“ einen Namen gemacht, da sie offenbar ihre Position im Genom wechseln und so die Informationsvariabilität erhöhen können. Auch dieses Phänomen dürfte für evolutionären Wandel nicht unbedeutend sein.
    Die spektakulärste und vielleicht bedeutendste Funktion „abfälliger“ DNA-Bereiche dürfte jedoch in ihrer epigenetischen Regulatorfunktion liegen. Mittlerweile ist auch für den Menschen zweifelsfrei nachgewiesen, dass kurze junk-DNA-Sequenzen gezielt abgelesen und in spiegelbildliche RNA-Sequenzen überschrieben werden. Prinzipiell übernehmen RNA-Moleküle in der Zelle vielfältige Funktionen, insbesondere als Informationsvermittler (Boten-RNA), Aminosäuretransporteure (Transfer-RNA) und Strukturbestandteile der zellulären Eiweißfabriken (Ribosomen-RNA). Die außerhalb der Gene in den „Müll-DNA“-Bereichen abgelesenen RNAs werden wegen ihrer geringen Länge als Mikro-RNAs bezeichnet. Sie spielen eine zentrale Rolle in einem epigenetischen Genregulationsweg, den man als RNA-Interferenz bezeichnet. Dabei wird eine solche Mikro-RNA zunächst durch ein „Dicer“ (Granulator) genanntes Enzym, das sonst der Abwehr eingedrungener Fremd-RNA (z. B. von Viren) dient, noch etwas zurechtgestutzt, um dann mit einem speziellen Schutzprotein einen „RISC“ (RNA-induced silencing complex) genannten Funktionskomplex zu bilden. Dieser fängt nun gezielt und hoch spezifisch die Boten-RNAs bestimmter Gene (also informationstragender Erbgutanteile) auf deren Weg zu den Ribosomen ein, „zerbröselt“ sie und verhindert damit ihre Umsetzung in Proteine. Das bedeutet: Über diesen RNA-Mechanismus kann die Expression verschiedener auf der DNA codierter Gene unterbunden werden, obwohl deren Ablesung von der DNA ganz regulär erfolgt. Damit ist die RNA-Interferenz zentraler Bestandteil des Epigenoms, des von dem Epigenetikexperten Dr. Peter Spork als „Zweiter Code“ bezeichneten Genregulationssystems, das die Aktivität des in den Genen fixierten genetischen Codes steuert. Die hier sehr vereinfacht dargestellten Zusammenhänge sind nur ein kleiner Mosaikstein aus dem epigenetischen Geschehen, für das die „junk-DNA“ so essentiell ist. Dem interessierten Leser kann hier nur wärmsten die Lektüre des bereits erwähnten brillanten Einführungswerkes in die Epigenetik „
Der Zweite Code“
von Dr. Peter Spork ans Herz gelegt werden.
    Resümierend bleibt festzuhalten: Die über 90% „Abfall“-DNA gehört mit Sicherheit nicht auf die Deponie, sondern darf getrost als ebenso essenziell wie die informationstragenden Bereiche eingeschätzt und darüber hinaus als „Spielwiese“ der Evolution angesehen werden. Damit ist es allemal an der Zeit, die sinnentstellende Vokabel der „junk-DNA“ aus Köpfen und Lehrbüchern zu verbannen und nur noch von nicht Protein-codierenden oder auch epigenetisch wirksamen Bereichen zu sprechen.
    Es würde den Rahmen dieses Buches bei Weitem sprengen, umfassend auf alle bereits bekannten sowie im Zentrum der Molekularbiologie unserer Tage stehenden genregulatorischen Zusammenhänge einzugehen. Doch eines ist klar: Das Argument der Evolutionskritiker, der hohe Anteil keine Informationen für Proteine tragender DNA sei nicht mit Darwins Selektionsprinzip vereinbar, ist unhaltbar, da diese

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