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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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immer wieder verstoßen. Über unseren Intellekt, der uns zur Entwicklung und Nutzung komplexer Hilfsmittel befähigt, sind wir in der Lage, große physische Defizite auszugleichen. Insgesamt haben wir es – wenn auch auf verlustreiche Weise – geschafft, ein recht stabiles System zu installieren. Trotz regelmäßiger interner Störungen hat es uns bislang eine für das
survival
genügende
fitness
gebracht. Allerdings gehören wir einer evolutionär sehr jugendlichen Gattung an. Inwieweit wir selbst „Steuermann“ spielen dürfen, unseren weiteren Kurs selbst bestimmen oder zumindest entscheidend beeinflussen können, ist kaum vorhersagbar. Eines ist gewiss: Die wirklich großen Umwälzungen in der Natur entziehen sich komplett unserem Zugriff. Das bescheinigt uns im Kleinen unsere Hilflosigkeit bei regelmäßigen Naturereignissen, die wir als Katastrophen klassifizieren. Erdbeben, Tsunamis, Tornados, Überschwemmungen und Lawinen stehen wir genauso hilflos gegenüber wie unsere Urväter und andere, über weniger geistige Potenzen verfügende Spezies. Langfristige Klimaveränderungen – seien sie nun von uns mitverschuldet, durch Meteoriteneinschlag ausgelöst oder anderer (extraterrestrischer?) Ursache – sind in ihrer Wirkung nicht prognostizierbar. Demnach können wir außer dem Bemühen, unser Mitverschulden zu minimieren, kaum prophylaktisch tätig werden. Was uns bleibt, ist die Konzentration auf unser Zusammenleben – sowohl untereinander als auch mit unserer (nicht-menschlichen) Umwelt. Die Frage ist: Lassen sich die von Darwin aus seinen Beobachtungen abgeleiteten Gesetzmäßigkeiten der natürlichen Evolution auch auf unsere Weiterentwicklung mit der Besonderheit einer einseitig intellektuellen Spezialisierung anwenden? Unser Hauptproblem bei all unseren Forschungsbemühungen liegt in der fehlenden Fähigkeit, Vorgänge wertfrei zu beurteilen. Wir sind nicht in der Lage, Dinge losgelöst von dem uns selbst gegebenen Wertesystem zu begutachten. Diese mittlerweile tief verwurzelte Ethik können wir nicht abstreifen, um einen ungetrübten Blick zu erhaschen. Wenn auch unbewusst, übertragen wir die einzig für unser eigenes Zusammenleben entwickelten Vorstellungen auf die gesamte Natur. Das ist so ähnlich wie der Wissenschaftler, der den Versuchsaufbau so hinbiegt, dass das gewünschte Ergebnis auch ja erreicht wird. Und so setzen wir bei jeder unserer Aussagen über die Natur unser Wertesystem als Messlatte ein. Wir sind kategorisierungssüchtig, brauchen unsere Schubladen, suchen immer nach Antipoden. Alles teilen wir in positiv und negativ ein, „wissen“, wer harmlos und wer (für uns) gefährlich ist – liebes Geißlein und böser Wolf! Als Bezugspunkt setzen wir dabei unser eigenes Wohlergehen. „Gut“ ist nur das, was unserem eigenen Dasein Vorteile verschafft. Wir bestimmen, wer Nutztier und wer Schädling, was sinnvoll und was unsinnig ist. Aber haben wir ein Recht dazu, derartige Einteilungen vorzunehmen? Sind wir mit Blick auf unsere eigene Geschichte und unsere ständigen Moralverstöße als Naturjuroren nicht denkbar ungeeignet? Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Dennoch versuchen wir aller subjektiven Vorbelastung zum Trotz unser anthropogenes Wertesystem wie ein Raster über die Natur zu legen, um zu einer in unserem Glauben objektiven Beurteilung zu gelangen. Und so werden dann natürliche Räuber-Beute-Beziehungen zu grausamen Gewaltanwendungen degradiert. Über Tötungen des eigenen Nachwuchses etwa bei Raubtieren schütteln wir verständnislos den Kopf, und die Überproduktion von Nachkommen erscheint uns angesichts der eigenen Bevölkerungsexplosion wenig plausibel. Wir machen alles an den eigenen Lebensumständen fest, nehmen unser Gefühlskorsett als Maßstab. Zweckfreiheit und fehlende Zielorientierung sind für uns nicht vorstellbar, da unser Handeln immer auf ein bestimmtes Resultat fokussiert ist. Eigene Grausamkeiten tun wir als Verfehlungen Einzelner ab, messen aber hintergründig Tötungen im Tierreich ähnliche Verwerflichkeit wie menschlichen Morden bei. Das Ausmaß unserer Einflussnahme auf unser eigenes evolutionäres Schicksal ist wie gesagt kaum abzuschätzen. Aber unsere Möglichkeiten, die natürliche Evolution insgesamt zu steuern, werden von vielen sicher überschätzt. Große Umwälzungen unterschiedlichster Couleur hat es in den rund viereinhalb Milliarden Jahren Erdgeschichte immer gegeben. Die aktuell so heiß diskutierte

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