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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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einer zeitlosen, allgegenwärtig reproduzierbaren und frei von jeglicher Subjektivität gehaltenen Minimalbeschreibung der Welt. Unsere retrospektive Erkundung des Universums erfüllt keines dieser Kriterien. Die Evolution ist nicht minimal, sondern in der abgelaufenen Form etwas Einmaliges. Alle Anfänge und Veränderungen haben nur einmal stattgefunden. Die Materie ist (von der Möglichkeit ewiger Existenz einmal abgesehen) einmal entstanden. Es gab nur einen Urknall, und auch das Leben mit einem seiner jüngsten Produkte, dem Menschen bis hin zum einzelnen Individuum – immer nur ein einziges Mal. Dies alles erfolgte in einer bestimmten zeitlichen Abfolge. Wenn wir heute Ahnenforschung betreiben, können wir das als voll ins Geschehen Involvierte eben nie gänzlich objektiv tun. Keine unserer Auflagen ist somit erfüllt, wenn wir nach unseren Wurzeln suchen.
    Wenn wir ehrlich sind, dürften wir Evolutionsforschung auf der Grundlage unserer eigenen Definition von Naturwissenschaft gar nicht zu deren Thema machen. Dass wir es dennoch tun, liegt an unserer unstillbaren Neugier an der eigenen Herkunft, die schon Aristoteles in seiner
Metaphysik
bestaunte: „
Wir werden in eine fertige Welt mit einer langen einmaligen Historie hineingeboren.“
Unser Staunen ist noch heute so übermächtig, dass wir unserer eigenen Definition von Naturwissenschaft zum Trotz die Suche nach den Anfängen und Wandlungen zu deren zentralem Thema machen. Mit dieser paradoxen Situation müssen und können wir leben. Es ist ja auch niemand da, der den mahnenden Zeigefinger erhebt. Da schmerzt es doch wesentlich mehr, dass wir den absoluten Anfang aus den beschriebenen Gründen nicht zu ermitteln in der Lage sind. Warum der Urknall vor 13,7 Milliarden den Startschuss für unsere Entwicklung gegeben hat, was davor war und wie der umliegende Raum aussah – diese Siegel können wir nicht brechen, zumindest nicht mit unserem wissenschaftlichen Ansatz. Jene 10 -35 Meter bzw. 5 × 10 -43 Sekunden, die uns von Quantenmechanik und Relativitätstheorie grenzziehend vorgesetzt werden, können wir nicht knacken. Aber 10 -35 Meter sind eben nicht „nichts“, und 5 × 10 -43 Sekunden nach dem Big Bang war im Grunde schon all das gelaufen, was den absoluten Anfang ausmacht. Materie und Energie waren ja schon da. Für uns bleibt die bittere Erkenntnis: Der Startschuss ist passé und von uns nicht reproduzierbar.
    Für die Physik scheint die Sache also klar. Sie definiert ihre Grenzen auf der Suche nach den Anfängen von Materie und Energie selbst. Aber bei Darwin geht es ja primär um die Evolution des Lebendigen, den Wandel der Lebensformen. Da drängt sich jetzt natürlich die Frage auf: Gibt es auch für die Biologie solche intrinsischen, also quasi in der Wissenschaft verankerten Grenzen, die nicht zu überwinden sind – etwas, das diesen 10 -35 Metern und 5 × 10 -43 Sekunden entspricht? Für die Darwin’sche Evolution ist die Sache recht einfach. Hier liegt die Grenze klar am Übergang vom Tod zum Leben. Die Evolutionstheorie zieht einen unteren Schlussstrich durch die Beschränkung auf den biologischen Formenwandel. Sie leitet deren Mechanismen aus der Beobachtung fossiler und rezenter Formen ab und beschränkt sich auf den Zeitraum zwischen dem ersten existenten Leben und der Gegenwart. Aufgrund des Zufallsmomentes bei der Entstehung neuer Muster und der Unvorhersagbarkeit von Umweltfaktoren kann sie keine Prognosen liefern. Sie hat per definitionem nicht den Anspruch, den Übergang zwischen Tod und Leben und damit den Ursprung biologischer Strukturen oder auch der „Lebenskraft“ zu erklären.
    Wie die Physik kann auch die Biologie keine letzten Fragen beantworten. Hat es einen absoluten Anfang gegeben, gibt es eine Ewigkeit oder ist alles im permanenten Wandel begriffen? Diese Fragen beschäftigen uns seit Beginn unserer Denkfähigkeit und haben auch den alten Philosophen Stoff für einige Zwistigkeiten geliefert. Wer hatte Recht? Parmenides, der die wirkliche Welt
(aletheia)
als „
das ewige Sein
, …
ein unveränderliches, ungeschaffenes, unzerstörbares Ganzes
“ betrachtete, oder Heraklit, der die Auffassung eines beständigen „
Werdens und Wandelns
“ – in späterer Zeit auf die populäre Kurzformel
panta rhei
(„alles fließt“) gebracht – vertrat. Vermittelnd könnte man sagen: Beide hatten recht – das Ewige zeigt sich in ständiger Veränderung!
    Das Problem der letzten Ursprünge und letzten Naturgesetze ist für

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