Darwin und die Götter der Scheibenwelt
Das ist wieder keine freie Entscheidung.
Unvermeidlich, vermeidlich.
Dennetts bestes Beispiel ist viel älter: Odysseus, wie er sich mit seinem Schiff den Sirenen nähert. Wenn seine Männer den Sirenengesang hören, werden sie das Schiff unvermeidlich auf die Klippen steuern. Aber der Steuermann muss imstande sein, die Brandung zu hören, also scheint es unmöglich zu sein, ihrer Verlockung auszuweichen. Odysseus lässt sich am Mast festbinden, während alle seine Männer sich die Ohren mit Wachs verstopfen, damit sie die Sirenen nicht hören können. Die Hauptsache ist für Dennett, dass die Menschen – und auf diesem Planeten wahrscheinlich nur sie – sich mehrere Stufen über das Stadium von Beobachten und Reagieren hinausentwickelt haben, auf dem sich selbst ziemlich hoch entwickelte Tiere befinden. Wir haben uns selbst und andere beim Beobachten beobachtet und so mehr Zusammenhänge erlangt, in die wir unser Verhalten einbetten können – einschließlich unseres voraussichtlichen Verhaltens. Dann haben wir eine Taktik entwickelt, um gute und schlechte imaginäre Ergebnisse zu etikettieren, ebenso wie wir unsere Erinnerungen mit emotionalen Etiketten versehen haben. Wir und ein paar andere Menschenaffen – vielleicht auch Delphine, vielleicht sogar einige Papageien – haben eine ›Theorie des Geistes‹ entwickelt, eine Methode, wie wir uns selbst oder andere in erfundenen Szenarios vorstellen und die damit verbundenen Empfindungen und Reaktionen vorhersehen. Dann haben wir gelernt, mehr als ein Szenario ablaufen zu lassen: ›Aber andererseits, wenn wir das und das täten, würde uns der Löwe trotzdem nicht erwischen …‹, und dieser Trick wurde rasch zu einem Hauptbestandteil unserer Überlebensstrategie. So ist es mit Odysseus … und der Literatur … und insbesondere jener Aufgliederung hypothetischer Alternativen, die wir eine Zeitreisegeschichte nennen.
In unseren Geist ist Platz für viele mögliche Geschichtsabläufe, ganz so, wie Mead gezeigt hat – dass nämlich jede Entdeckung über das Heute eine andere Vergangenheit einschließt, die dazu geführt hat. Aber ob es einen Sinn gibt, in dem das Universum mehrere mögliche Vergangenheiten (oder Zukünfte) hat, ist eine weitaus schwierigere Frage. Wir haben angeführt, dass populäre Darstellungen der Quantenunbestimmtheit, vor allem das Viele-Welten-Modell, darüber in Verwirrung geraten sind. Sie behaupten, dass sich das Universum an jedem Entscheidungspunkt verzweigt, während wir glauben, dass die Menschen einen unterschiedlichen geistigen Kausalpfad, eine unterschiedliche Erklärungsgeschichte für jede mögliche Vergangenheit oder Zukunft erfinden müssen.
Antonio Damasio hat drei Bücher geschrieben: Der Spinoza-Effekt , Descartes’ Irrtum und Ich fühle, also bin ich . Das sind allgemeinverständliche Darstellungen dessen, was wir über die wichtigen Attribute unseres Geistes wissen. Er hat dokumentiert, was wir entdeckt haben, nachdem wir nunmehr verschiedene experimentelle Techniken verwenden können, um ›dem Gehirn beim Denken zuzusehen‹ und zu beobachten, wie die verschiedenen Teile des Hirns dabei mitspielen, was wir über die Dinge empfinden , die wir denken. Wir vergessen gern, dass unser Gehirn ständig mit unserem Körper wechselwirkt, der das Gehirn mit Hormonen – welche unsere Einstellung für das Langzeitverhalten bestimmen – und mit stimmungswandelnden, gefühlserregenden Chemikalien zur kurzfristigen Modulation unserer Absichten und Gefühle versorgt, und der somit unsere Gedanken lenkt.
Diesen Büchern zufolge verfügen wir zeitlebens über ein Gehirn, das wir wie mit einer Art Ruderpinne zu steuern glauben, das allerdings fortwährend von Seitenwind, gelegentlichen Unwettern, von Regen und warmem Sonnenschein beeinflusst wird, der uns zum Faulenzen anhält, und als Ergebnis davon entwickeln wir eine Reihe von Erinnerungen mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Oder es ist das Ergebnis der Tatsache, dass wir zeitlebens über ein Gehirn verfügen, das wir unserer Ansicht nach mit einer Art Auto-Lenkrad und Pedalen steuern, dessen Route aber fortwährend von langfristigen Zielen beeinflusst wird, die sich ändern (›Lass uns in ein Hotel gehen, bloß nicht wieder zu Tante Janie‹), kurzfristig von Verkehrszeichen und vom übrigen Verkehr. Oder: Jeder von uns hat seine persönliche Geschichte, die wir innerlich durch Gefühle erklären, welche mit emotionalen Erinnerungen verbunden sind; also entwickeln
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