Darwin und die Götter der Scheibenwelt
mit einer roten Marsprinzessin verheiratet.* [* Die ebenfalls Eier legte. Jack, der Burroughs in jungen Jahren las, geriet bei der Vorstellung an ihr Hochzeitsbett aus der Fassung.] Stanley Weinbaums ›Mars-Odyssee‹ fügte weitere Dimensionen hinzu: den Marsianer namens Tweel, der große Sprünge machte und auf der Nase landete, das hypnotische Raubtier, welches jedem seine verlockendsten Träume zeigte, und Versuche einer Aufsehen erregend zusammengestoppelten Wüstenökologie. Dann gab es Geschichten von Marsianern, die auf die Erde kamen und sich für Menschen ausgaben … und von Menschen, die versuchten, mit einer mehr oder weniger mystischen Marszivilisation umzugehen.
Die am besten bekannten, vielleicht auch am besten ausgeführten romantisch-mystischen Darstellungen grobschlächtiger Trampel von der Erde ohne Sinn für die ätherischen Schönheiten des marsianischen Kristallstädte stammen von Ray Bradbury. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden seine Erzählungen von vielen außerhalb der Welt der Fantasy und SF gelesen; sie erschienen in weit verbreiteten Zeitschriften wie Argosy ebenso wie in billigen SF-Magazinen am Bahnhofskiosk. Sie legten die mystischen Fundamente eines uralten Mars, auf denen Robert Heinlein die kraftvollste aller dieser Marserzählungen aufbauen konnte, Ein Mann in einer fremden Welt . Valentin Michael Smith war ein Findling auf dem Mars, wurde von den uralten Marsianern aufgezogen und in ihrer Kultur ausgebildet. Er kommt zur Erde, gründet eine Kommune von Freunden – die ›Wasserbrüder‹ – und eine Religion, deren ›Groken der Fülle‹ von Alltagsereignissen – vom Sex über Wissenschaft bis zum Schwimmen – auf Gemeinschaften von Lesern des Buchs ausstrahlte. Es gab eine tragische, ausführlich publizierte Verbindung zu den Morden der Manson-Bande, die das Buch als ihr Mantra benutzt hatten, doch das beeinträchtigte die Verkaufszahlen nicht, und die uralten mystischen Marsianer wurden zum Standardbild.
Dann erfuhren wir, dass der Mars keine nennenswerte Atmosphäre besitzt, dass er kalt ist, trocken, von Kohlensäureschnee überzogen, sodass sogar die ›Eiskappen‹ wahrscheinlich Trockeneis sind. Unsere Maschinen besuchten den Mars, suchten nach ›Leben‹ und fanden eine sonderbare Chemie, weil wir unvermeidlich die falschen Fragen stellten. Die ›Kanäle‹ verschwanden aus den Vorstellungen der Öffentlichkeit, und an ihre Stelle traten Krater und riesige Vulkane.
Jetzt waren wir wieder zu Besuch, und es hat den Anschein, dass der uralte, feuchte Mars Wirklichkeit gewesen sein kann, dass es vielleicht zumindest bakterielle Lebensformen unter dem Sand gibt … Vieles ist noch unklar, klar ist jedoch, dass sich unser Bild vom Mars abermals geändert hat.
Jeder von uns verknüpft mit dem Mars verschiedene Assoziationen. Wenn wir diese vielen unterschiedlichen Interpretationen und Phantasien miteinander verweben, werden wir zu anderen, weiseren Wesen. Und was all unsere unterschiedlichen Mars angeht – sie sind Spielzeuge unserer Vorstellungskraft, wenn wir die Fülle des roten Planeten groken.
Wenn Ihnen der Mars als Abschweifung erscheint, bedenken Sie jene beiden Embleme der Evolution, die Archäopteryx und den Dodo. Im volkstümlichen Evolutionsdenken ist die Archäopteryx der Vorfahr aller Vögel, und der Dodo ist jener Vogel, der vor etwa 400 Jahren ausstarb. ›Tot wie ein Dodo.‹ Abermals sind unsere Vorstellungen von diesen beispielhaften Vögeln stark übertüncht von Annahmen, Mythen und literarischen Assoziationen, die wir nicht hinterfragen.
Wir haben die Archäopteryx in Kapitel 36, ›Weglaufen vor Dinosauriern‹ erwähnt, der erweiterten Neuausgabe der Gelehrten der Scheibenwelt . Wir stellen sie uns als den Urvogel vor, weil es ein dinosaurierähnliches Tier mit vogelähnlichen Federn war – und das Erste, das gefunden wurde. Zur Zeit der Archäopteryx gab es jedoch eine Menge echter Vögel, darunter den Tauchervogel Ichthyornis . Die arme alte Archäopteryx kam viel zu spät, um ›der‹ Vorfahr der Vögel zu sein.
Die jüngsten erstaunlichen Entdeckungen von ›Dinovögeln‹ in China – Übergangswesen auf halbem Weg von Dinosauriern zu Vögeln – haben das Bild der Wissenschaftler von der Evolution der Vögel drastisch verändert. Zu einem bestimmten Zeitpunkt entwickelten manche Dinosaurier Federn, obwohl sie nicht fliegen konnten. Die Federn hatten eine andere Funktion, wahrscheinlich, das Tier warm zu halten. Später
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