Darwin und die Götter der Scheibenwelt
E-Mail versandte Kettenbriefe, die Ihnen mit Strafe drohen, wenn Sie sie nicht an viele Freunde weiterschicken, und ›Glück‹ versprechen, wenn Sie es tun, haben alle großen Religionen der Welt den frommen Gläubigen und Übermittlern Freuden versprochen, aber jenen Schmerz angedroht, die sich dem Glauben nicht anschließen. Ketzer und solche, die vom Glauben abfallen, werden von den Gläubigen oft getötet.
Wir können leicht verstehen, wie solche Glaubenssysteme, derart stark von innen her gestützt, über Generationen hinweg bewahrt worden sind. Das Versprechen eines Lebens nach dem Tod, das alle vernünftigen Leute in jemandes Umgebung für bare Münze nehmen, lässt einen viele Sorgen dieses Lebens leichter ertragen. Und wie wir in letzter Zeit gesehen haben, macht der Glaube an ein Paradies für jene, die in einem Heiligen Krieg als Kämpfer für den Glauben sterben, die Betreffenden ziemlich unbesiegbar.* [* Es wirkt allerdings ein wenig sonderbar, dass palästinensische Terroristen, wenn sie sich als Selbstmordattentäter in die Luft sprengen, ihre Genitalien schützen, damit sie sie im Paradies gebrauchen können.] Diese Unbesiegbarkeit ist eine Nebenwirkung der Glaubenstaktiken des Memplexes, keine Bestätigung für die Wahrheit dessen, was der Attentäter glaubt. Zumal nahezu alle, die dieselbe Religion wie der Attentäter haben (Islam, Katholizismus …), nicht der Ansicht sind, ihr Glaube rechtfertige die Tötung Ungläubiger.
Diese Vielfalt der theistischen Glaubensvorstellungen, insbesondere in der heutigen Welt mit ihren unterschiedlichen Kulturen und Multikulturen, fördert einen kritischen Glauben an die Autorität und für gewöhnlich die Bereitschaft, eine Gemeinsamkeit mit anderen Theisten einzugestehen. Diese gemeinsame Grundlage ermutigt zur Integration unterschiedlicher Kulturen. Viele Minderheiten werden assimiliert und verschwinden, andere aber reagieren, indem sie ihre Individualität betonen. Manche der Letzteren, wie die Thugs im Indien des 19. Jahrhunderts, die die Todesgöttin Kali anbeteten, und die gegenwärtigen Al-Qaida-Terroristen, erlangen eine vorübergehende traurige Berühmtheit, die ein Triumph ihres Glaubens zu sein scheint. Auf lange Sicht zerstört sich derlei aber für gewöhnlich selbst. Die Anzahl der Toten besagt jedenfalls nichts darüber, woran jene Meuchelmörder glauben – weder im positiven noch im negativen Sinn. Der Glaube jener militanten Minderheiten erlangt mitunter eine scharfe und sogar subtile Ausprägung, ist aber für gewöhnlich den tagtäglichen Erfordernissen ihrer gewalttätigen Lebensweise untergeordnet.
Viele große Wissenschaftler, zum Beispiel Galilei, wurden verspottet, als sie neue Einsichten in die Welt der Natur darlegten. Wissenschaftliche Spinner schlussfolgern oft, weil ihre Arbeit verspottet wird, müssten sie neue Galileis sein, aber das ist kein zwingender Schluss. Ebenso versuchen gewalttätige Menschen oft, ihrem ›Martyrium‹ Glaubwürdigkeit zu verleihen, indem sie sich mit antiken Christen oder Ghettojuden vergleichen, und abermals ist die Logik schief. Es gibt keinen rationalen Grund, irgendeinen ihrer Götter als Teil des wirklichen Universums anzuerkennen, so hilfreich dieser Glaube für manche Leute im Alltag auch sein mag. Dennoch haben viele kluge, ehrliche Menschen das Gefühl, ein Gott sei notwendig für ihr Verständnis, wie alles eingerichtet ist. Wenn ein Memplex erst einmal von jemandem Besitz ergriffen hat, ist ihm schwer zu entkommen.
Wir empfinden etwas mehr Sympathie für Deisten, die größtenteils zu glauben scheinen, dass das Universum außerordentlich komplex ist, aber eine übergreifende Einfachheit hat und dass das auf einen himmlischen Wächter hinweist, der aufs Ganze schaut und ihm Bedeutung verleiht. Ponder Stibbons und Mustrum Ridcully nähern sich auf jeweils unterschiedliche Weise dem Deismus; sie möchten das Gefühl haben, dass ›jemand‹ am Steuerruder steht. Wenn man ihnen eine Erklärung abfordert, leugnen Deisten für gewöhnlich das anthropomorphe Wesen dieses Wächters, bewahren jedoch einen Glauben an die Fähigkeit des einzelnen Menschen – vielleicht der einzelnen ›Seele‹ –, in direkte Beziehung zu dem zu treten, der – oder das – die oberste Instanz ist. Wir persönlich bezweifeln, dass solche scheinbaren Wechselwirkungen, ob sie nun durch Meditation oder im Gebet erreicht werden, mehr als eine Selbsttäuschung sind. Aber wir sind froh, auf ein und demselben Planeten
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