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Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Titel: Darwin und die Götter der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Ian Stewart , Jack Cohen , Erik Simon
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erwiesen sie sich als nützlich für Flügel. Manche Dinovögel hatten im Grunde vier Flügel – zwei vorn, zwei hinten. Es dauerte eine Weile, bis sich der typische Körperbauplan der Vögel einpegelte.
    Und was den Dodo angeht – wir alle wissen, wie er aussah, nicht wahr? Ein fettes kleines Ding mit einem großen Hakenschnabel … Ein derart berühmt ausgestorbenes Wesen muss in der wissenschaftlichen Literatur gut dokumentiert sein.
    Nein, ist es nicht. Wir verfügen über ungefähr zehn Zeichnungen und ein halbes ausgestopftes Exemplar.* [* Rajith Dissanayake: ›What did the Dodo look like?‹ (Wie sah der Dodo aus?) In: Biologist 51 (2004), S. 165–168.] Wir besitzen mehr Exemplare der Archäopteryx als des Dodos. Warum? Der Dodo starb aus , ja? Und zwar zu einer Zeit, bevor sich die Wissenschaft richtig für ihn interessierte. Also haben wenige Menschen ihn verzeichnet oder untersucht. Er war ja da , ohne besondere Aufmerksamkeit zu erfordern, und dann war er weg, und es war zu spät, mit den Untersuchungen zu beginnen. Es ist nicht einmal sicher, welche Farbe er hatte – viele Bücher sagen ›grau‹, aber wahrscheinlicher war er braun.
    Ja, wir alle wissen genau, wie er aussah. Wie das? Weil wir alle die Illustration von Sir John Tenniel in Alice im Wunderland gesehen haben.
    Eben.
    Die große Stärke der Scheibenwelt-Geschichten liegt darin, dass sie sich genau über jene Stellen lustig machen, an denen uns die ›Bildung‹ ein wenig unsicher gelassen hat – wenn wir in der Kneipe das Thema wechseln oder wenn unser fünfjähriges Kind jene bohrenden Fragen stellt. Ein Witz, der sich durch die ganze Serie um die Gelehrten der Scheibenwelt zieht, beruht auf etwas, das die Grammatiker ›Privativa‹ nennen. Das sind Konzepte, mit denen unser Denken anscheinend blendend auskommt, obwohl man nach kurzer Überlegung sieht, dass sie kompletter Unsinn sind. In Kapitel 22 der Gelehrten der Scheibenwelt haben wir diesen Gedanken erörtert und fassen ihn hier zur Erinnerung knapp zusammen.
    Es ist völlig normal, davon zu sprechen, dass ›Kälte zum Fenster hereinkommt‹ oder ›Unwissenheit sich unter den Massen ausbreitet‹. Die Gegenteile dieser Konzepte, Wärme und Wissen, sind real, aber wir haben ihre Abwesenheit mit Wörtern gewürdigt, die keinen wirklichen Dingen entsprechen. Auf der Scheibenwelt liegt ›knurd‹, supernüchtern, von gewöhnlicher Nüchternheit so weit entfernt wie Betrunkensein auf der alkoholischen Seite. Es gibt Witze über die Dunkelgeschwindigkeit, die größer sein muss als die Lichtgeschwindigkeit, weil die Dunkelheit Platz machen muss. Auf der Scheibenwelt existiert Tod als eine (vielleicht die ) Hauptperson, aber auf der Rundwelt bedeutet das Wort nur die Abwesenheit von Leben.
    Menschen bezeichnen gewohnheitsmäßig die Abwesenheit von etwas anstelle seines Vorhandenseins (oder gleichermaßen) mit einem Wort: Diese Wörter sind die besagten Privativa.
    Manchmal führt diese Gewohnheit zu Fehlern. Der klassische Fall betraf das Etikett ›Phlogiston‹, die Substanz, die anscheinend von brennenden Stoffen ausgeschieden wird. Man sieht , wie sie als Rauch, Flamme, Qualm herauskommt … Es dauerte viele Jahre, um nachzuweisen, dass das Brennen mit der Aufnahme von Sauerstoff einherging, nicht mit der Ausscheidung von Phlogiston. In der Zwischenzeit hatten viele Leute nachgewiesen, dass Metalle beim Verbrennen schwerer werden, und darum behauptet, Phlogiston habe ein negatives Gewicht. Das waren kluge Leute, überhaupt nicht dumm. Die Idee mit dem Phlogiston funktionierte wirklich – bis der Sauerstoff diese Erklärungen ersetzte und die Alchimisten plötzlich feststellten, dass die Wege in die rationale Chemie leichter waren.
    Privativa sind oft sehr verlockend. In Was ist Leben? , einem dünnen Buch, das 1944 erschien, stellte der große Physiker Erwin Schrödinger genau diese Frage. Damals hielt man den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik – alles verbraucht sich, die Unordnung nimmt ständig zu – für ein grundlegendes Prinzip des Universums. Das hieß, im Lauf der Zeit würde alles zu einer grauen, kühlen Suppe vom maximaler Entropie und maximaler Unordnung: ein ›Wärmetod‹, nach dem nichts Interessantes mehr geschehen konnte. Um also zu erklären, wie in solch einem Universum Leben vorkommen kann, behauptete Schrödinger, das Leben könne seinen eigenen kleinen Wärmetod nur hinausschieben, indem es negative Entropie aufnehme, ›Negentropie‹ genannt.

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