Darwin und die Götter der Scheibenwelt
Vieldeutige Puzuma, wenn man ihn erreicht, nicht mehr da ist. Das dritte Paradox besagt, dass ein sich bewegender Pfeil sich nicht bewegt. Die Zeit muss in aufeinanderfolgende Augenblicke unterteilt werden, und in jedem Augenblick hat der Pfeil eine bestimmte Position im Raum, also muss er sich in Ruhe befinden. Wenn er sich immer in Ruhe befindet, kann er sich nicht bewegen. Zenons viertes Paradox, die ›Reihen in Bewegung‹ (oder das ›Stadium‹), ist schwieriger zu beschreiben, läuft aber auf Folgendes hinaus: Nehmen wir an, drei Körper liegen aneinander, und in der kleinstmöglichen Zeitspanne bewegt sich einer um den kleinstmöglichen Abstand nach rechts, während sich der andere um den kleinstmöglichen Abstand nach links bewegt. Dann haben sich die beiden Körper um das Doppelte des kleinsten Abstands auseinander bewegt und dafür die kleinste Zeitspanne benötigt. Als sie nur den kleinstmöglichen Abstand voneinander entfernt waren, auf halbem Wege zu den Zielpunkten, muss die Hälfte der kleinstmöglichen Zeitspanne vergangen sein. Also weniger als die kleinstmögliche, was verrückt wäre.
Hinter Zenons Paradoxen steckt eine ernste Absicht, und es sind nicht zufällig vier. Die griechischen Philosophen in der Antike der Rundwelt stritten darüber, ob Raum und Zeit diskret seien, aus winzigen unteilbaren Einheiten zusammengesetzt, oder kontinuierlich, das heißt unendlich teilbar. Zenons vier Paradoxe erfassen alle vier Kombinationen eines kontinuierlichen/diskreten Raums mit kontinuierlicher/diskreter Zeit und erledigen fein säuberlich die Theorien aller anderen Leute, und so macht man sich in Philosophenkreisen einen Namen. Das Paradox der Reihen in Bewegung beispielsweise zeigt, dass die Annahme, sowohl Raum als auch Zeit seien diskret, zu Widersprüchen führt.
Zenons Paradoxe machen sich noch heute auf manchen Gebieten der theoretischen Physik und der Mathematik bemerkbar, obwohl man mit Archilles und der Schildkröte fertig werden kann, indem man vereinbart, dass, wenn Raum und Zeit beide kontinuierlich sind, unendlich viele Dinge in einer endlichen Zeitspanne geschehen können (ja, sogar müssen). Das Pfeilparadox kann gelöst werden, indem man feststellt, dass in der allgemeinen mathematischen Behandlung der klassischen Mechanik, bekannt als Hamilton-Mechanik nach dem großen (und betrunkenen) irischen Mathematiker Sir William Hamilton, der Zustand eines Körpers durch zwei Größen bestimmt wird, nicht durch eine. Er hat sowohl Ort als auch Impuls, in dem die Geschwindigkeit enthalten ist. Die beiden hängen mit der Bewegung des Körpers zusammen, sind vom Konzept her aber unterschiedlich. Man sieht nur den Ort; der Impuls ist nur durch seine Wirkung auf die aufeinander folgenden Orte zu beobachten. Ein Körper an einem bestimmten Ort mit einem Impuls von null bewegt sich in diesem Augenblick nicht und wird sich daher nirgends hinbewegen , während er sich am selben Ort mit von Null verschiedenem Impuls – was zunächst ebenso aussieht – bewegt , auch wenn er sich augenblicklich an ein und demselben Ort befindet.
Ist das klar?
Und wir sprachen ja sowieso vom Zeitdieb , und dank Xeno sind wir da noch nicht über die ersten paar Seiten hinausgekommen. Die Hauptsache ist, dass die Zeit der Scheibenwelt formbar ist, sodass die Gesetze des narrativen Imperativs mitunter ein wenig Hilfe brauchen, damit die Geschichte wirklich tut, was der Imperativ von ihr verlangt.
Tick.
Lady Myria LeJean ist ein Revisor der Realität, der vorübergehend menschliche Gestalt angenommen hat. Die Scheibenwelt ist unerbittlich animistisch; praktisch alles hat auf einer gewissen Ebene Bewusstsein, einschließlich der grundlegenden Physik. Die Revisoren überwachen die Einhaltung der Naturgesetze; sie würden Ihnen höchstwahrscheinlich eine Strafe für Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit verpassen. Für gewöhnlich nehmen sie die Gestalt kleiner grauer Umhänge mit Kapuze an – und nichts darin. Sie sind das Nonplusultra an Bürokraten. LeJean weist Jeremy darauf hin, dass die vollkommene Uhr imstande sein muss, Xenos kleinstmögliche Zeitspanne zu messen. »Sie muss existieren, nicht wahr? Man denke an die Gegenwart. Sie muss eine Länge haben, denn das eine Ende ist mit der Vergangenheit verbunden und das andere mit der Zukunft. Wenn die Gegenwart keine Länge hätte, wäre sie überhaupt nicht möglich. Es gäbe keine Zeit, in der sie existieren könnte.«
Ihre Ansichten entsprechen ziemlich genau
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