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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sternen und Planeten in eine einzige Gleichung packen (wie man es dem europäischen Mathematiker Einstein nachsagte).
    Eben darum hat Gott uns die Heilige Schrift gegeben, würde Finch sagen – um Sinn zu stiften in einer konfusen Welt. Und Guilford kam nicht umhin, Gewicht und Poesie von Finchs Werk zu bewundern, und die darin eingerollte Logik. Er verstand zu wenig von Geologie, um Position zu beziehen… obwohl er sich nicht des Eindrucks erwehren konnte, hier sei eine erhabene Kathedrale auf ein paar knirschenden Pfählen erbaut worden.
    Auch Sullivans Frage ging ihm nicht aus dem Kopf. Wie konnte man einen darwinischen Bazillus fangen, wenn der neue Kontinent wirklich eine isolierte Schöpfung war? Und mehr noch: Wieso konnten Menschen gewisse darwinische Pflanzen und Tiere verdauen? Manche waren giftig – viel zu viele –, aber manche waren nicht nur nahrhaft, sondern regelrechte Leckerbissen. Wies das nicht auf eine verborgene Ähnlichkeit hin, auf einen, wenn auch entfernt, gemeinsamen Ursprung?
    Na ja, zumindest auf einen gemeinsamen Schöpfer. Sullivan hatte an gemeinsame Vorfahren gedacht. Was aber auf den ersten Blick unmöglich schien. Darwinia existierte kaum länger als eine Dekade… oder existierte vielleicht schon viel länger, dann aber im Verborgenen, völlig unbemerkt von Mensch und Erde.
    Das war das Paradoxe am Neuen Europa. Man tippte auf ein Wunder und stieß auf Gemeinsamkeiten; man tippte auf eine gemeinsame Geschichte und schlug sich den Kopf an der stumpfen Kante eines Wunders.
     

     
    Die Expedition wurde anderthalb Tage von Regen verfolgt, das Tiefland glitzerte unter einem feinen, silberhellen Nebel. Der Rhein wälzte sich durch wilde Wälder, darwinische Wälder von tiefem Moosgrün, die schließlich einem weiten, grünen Teppich aus einer großblättrigen Pflanze wichen, die Tom Compton Fingerkraut nannte. Das Fingerkraut hatte zu blühen begonnen, die winzigen, goldenen Blüten verliehen den Wiesen einen verfrühten Anstrich von Herbst. Für darwinische Verhältnisse ein einladender Anblick – ging man aber ins Fingerkraut, so der Grenzer, dann nicht ohne kniehohe Stiefel, sonst kam man unweigerlich mit dem aggressiven, gelben Saft der Pflanze in Kontakt und zog sich einen unangenehmen Nesselausschlag zu. Schwebende Insekten, so genannte Nesselfliegen, standen tagsüber in Schwärmen über der Ebene, doch trotz ihres martialischen Aussehens hatten sie keinerlei Appetit auf Menschen und mochten sich, wenn man sie ließ, sogar auf die Fingerkuppe setzen, der kleine, lichtdurchlässige Körper eine einzige feine Filigranarbeit, die an gläsernen Weihnachtsschmuck erinnerte.
    Die Weston ging mitten im Fluss vor Anker. Guilford, wieder einigermaßen bei Kräften, ging an Land, um Sullivan beim Sammeln von Fingerkraut und einem Dutzend anderer Wiesenpflanzen zu helfen. Die Proben kamen in Sullivans Pflanzenpresse, die gepressten und getrockneten Exemplare kamen in eine Dose, die in Wachstuch eingeschlagen war. Sullivan zeigte ihm eine besonders auffällige, orangefarbene Blume, die überall am sandigen Ufer wuchs: »Ihrer ganzen Struktur nach könnte sie mit dem englischen Mohn verwandt sein. Aber diese hier sind männlich, Mr. Law. Insekten verbreiten die Pollen, indem sie die Staubgefäße regelrecht verschlingen. Die weibliche Blume – hier ist eine, sehen Sie? –, das ist eigentlich gar keine Blume, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Eher ein Docht, den man in Honig getaucht hat. Ein immenser Stempel von wimperiger Struktur, damit die männlichen Pollen zum Gynäzeum gelangen. Insekten bleiben oft daran kleben und mit ihnen die Pollen. Dieses Schema ist typisch für ganz Darwinia und kommt bei terrestrischen Pflanzen nicht vor. Die äußere Ähnlichkeit ist verblüffend, eine Koinzidenz. Als ob derselbe Evolutionsprozess zwei verschiedene Kanäle benutzt hätte – wie der Fluss hier, der dem Rhein ziemlich ähnlich sieht, aber eben nur ziemlich. Er entwässert ungefähr dasselbe Hochland und fließt ungefähr in denselben Ozean, aber die Haken, die er schlägt, sind unberechenbar.«
    Und die Strudel, dachte Guilford, und die Stromschnellen, obwohl der Fluss bislang ganz friedlich gewesen war. Ob der Strom der Evolution auch so launisch war?
    Sullivan, Gillvany, Finch und Robertson nahmen den Tag in Beschlag – Digby, der Koch der Expedition, nannte das Kollektiv ›Plants and Ants, Stones and Bones‹. Die Nacht gehörte Keck, Tuckman und Burke, den Landvermessern und

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