Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
habe: Er schien anzudeuten, sich für eine Fehlbesetzung in Kitcheners neurotischem Theater zu halten. Auf die Frage, warum es neuerdings so viele Soldaten in London gab, wusste er keine Antwort. »Die Soldaten sind eine richtige Landplage«, sagte Caroline, doch der Lieutenant ließ sich nicht aus der Reserve locken. Er lächelte nur.
    Soldaten und Kriegsschiffe. Caroline hasste es, zum Hafen zu gehen; in den letzten Wochen schien sich die ganze britische Navy hier zu versammeln, lauter ramponierte, vor Kanonen strotzende Schlachtschiffe. Die Frauen in der Marktstraße redeten von Krieg.
    Krieg mit wem und wozu? Caroline konnte sich keinen Reim machen. Vielleicht hatte es mit den Partisanen zu tun, dem heimgekehrten Abschaum Europas, ihren lächerlichen Ansprüchen und Drohungen; oder mit den Amerikanern oder den Japanern oder – sie schob alles beiseite.
    »Ich vermisse Daddy«, verkündete Lily. Es war Sonntag. Der Textilladen war geschlossen; Jered und Alice machten Inventur und Caroline war mit Lily zur Themse gegangen, einem blauen Fluss unter sengend blauem Himmel, um Segelschiffe anzugucken und eventuell ein Flussmonster zu sehen. Lily mochte die Schlammschlangen so sehr wie Caroline sie verabscheute. Der mächtige Hals, die kalten, schwarzen Augen.
    »Daddy kommt bald«, erklärte sie ihrer Tochter, aber Lily zog nur eine krause Stirn, sie war immun gegen Trost. Redlichkeit ist eine Tugend, dachte Caroline, aber nichts ist sicher. Nichts. Wir tun so, den Kindern zuliebe.
    Wie perfekt Lily war: Sie saß mit gespreizten Beinen auf der klobigen Holzbank, die Puppe im Schoß. ›Lady‹ hieß die Puppe. »Lady, Lady«, sang Lily vor sich hin, ein Lied aus zwei Noten. Unter dem fleischfarbenen Anstrich der Puppe brach an Wangen und Stirn das Knochenporzellan durch. »Tanz, Lady, tanz«, sang Lily.
    Genau in diesem Augenblick, diesem trügerischen Frieden, der so kurz war wie das Läuten einer Glocke, sah Caroline, wie Jered hastig eine holzbefestigte Böschung herunterkam. Ihr Herz tat einen Sprung. Irgendetwas stimmte nicht. Sie sah es ihm an, seinen Augen, seinem Gang. Unwillkürlich packte sie Lily bei den Schultern. »Das tut weh!«, sagte Lily.
    Jered stand atemlos vor ihr. »Caroline, ich wollte mit dir reden«, sagte er, »reden, bevor du die Times siehst.«
     

     
    Er war geduldig und einfühlsam, doch als er fertig war, meinte sie, es in der brutalen Manier einer Schlagzeile zu lesen:
     
    Partisans Attack U.S. Steamer ›Weston‹ Returns Damaged to Jeffersonville,
     
    und dann das Schrecklichste:
     
    Fate of Finch Expedition Unknown.
     
    Das waren aber nur die nackten Tatsachen. Viel schlimmer war, dass Guilford so weit weg war, dass sie überhaupt nichts für ihn tun konnte, vielleicht war er verletzt, vielleicht tot. Guilford tot in der Wildnis und Caroline und Lily allein.
    Sie stellte ihrem Onkel die furchtbare Frage: »Ist er tot?«, flüsterte sie, während die Erde unter ihren Füßen schwankte und Lily zur Bank lief, wo Lady zurückgeblieben war, die Augen halb zu und das Kleidchen bis über den Kopf gerutscht.
    »Caroline, das weiß niemand. Aber die Schiffe wurden erst angegriffen, nachdem man die Expedition bei Rheinfelden abgesetzt hatte. Es gibt also keinen Grund anzunehmen, dass Guilford etwas zugestoßen ist.«
    Ab jetzt werden sie mich alle belügen, dachte Caroline. Machen mich zur Witwe, und er soll wohlauf sein. Sie hob das Gesicht gen Himmel, und das Sonnenlicht fiel blutrot durch ihre Lider.

 
Kapitel Dreizehn
     
     
     
    Die Seance sollte bei Eugene Randall stattfinden, also fuhren sie zu seinem Apartment in Virginia. Es war die traurige Bleibe eines Witwers, die Wand ein einziger Altar für seine verstorbene Gattin Louisa Ellen. Man hatte das Gefühl, ein archäologisches Museum zu betreten, Jahrzehnte eines Lebens reduziert auf Gefäßscherben und Tontäfelchen. Randall ließ die Beleuchtung gedämpft und steuerte zielstrebig auf die Hausbar zu.
    »Ich möchte nicht betrunken sein«, erklärte er. »Ich möchte aber auch nicht nüchtern sein.«
    »Ich könnte auch einen Schluck vertragen«, sagte Elias Vale.
     

     
    Es war unvermeidlich, dass Vale sich an seine Gottheit verlor.
    Während Vale meinte, die Gottheit ›herbeizurufen‹, war er es, der gerufen wurde, es war Vale, der gebraucht wurde. Er hatte sich nie von sich aus gemeldet. Er hatte nie eine Wahl gehabt. Wenn er sich widersetzt hätte… nicht auszudenken.
    Randall wollte mit seiner geliebten Louisa Ellen

Weitere Kostenlose Bücher