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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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gedankenloser Hass. Weil sie sich den Luxus nicht leisten konnte, ihren eigenen Mann zu hassen.
    »Wir müssen uns wiedersehen«, bat Colin. »Noch vor deiner Abreise, wenigstens einmal noch.«
    Caroline wollte nichts versprechen.
    »Es gefällt mir gar nicht, dass du übers Meer willst. Es sind schon Schiffe bedroht worden. Es heißt, die Amerikaner ziehen ihre Flotte im Nord-Atlantik zusammen.«
    »Darüber mach ich mir keine Gedanken.«
    »Solltest du aber.«
     

     
    Noch in derselben Woche steckte Mrs. de Koenig ihr eine Nachricht von Colin zu. Eine Generalmobilmachung sei angekündigt, er müsse vielleicht an Bord; er wolle sie so bald wie möglich sehen.
    Krieg, dachte Caroline verbittert. Alle redeten von Krieg. Vor nur zehn Jahren war die Welt bis ins Mark erschüttert worden, und jetzt wollte man sich um die Reste prügeln. Um eine Wildnis!
    Die Times, eine sechsseitige, auf faseriger Moscheepulpe gedruckte Tageszeitung, erging sich in ihren jüngsten Leitartikeln fast ausschließlich darin, den Amerikanern aus verschiedenen Anlässen Arroganz und Selbstgefälligkeit vorzuwerfen: Sie würden den neuen Kontinent wie ein amerikanisches Protektorat behandeln und den britischen Inseln ›Beschränkungen auferlegen‹. Carolines Akzent erntete in Geschäften und an den Marktständen nicht selten hochgezogene Augenbrauen. Heute hatte Lily sie gefragt, warum es denn so schlimm sei, ein Amerikaner zu sein.
    »Das ist überhaupt nicht schlimm«, erwiderte Caroline. »Das ist doch nur Gerede. Die Leute sind ärgerlich, früher oder später werden sie sich wieder beruhigen.«
    »Wir werden bald mit dem Schiff fahren«, meinte Lily.
    »So Gott will.«
    Caroline saß nicht mehr mit Alice und Jered bei Tisch. Sie hätte für sich und Lily ein Zimmer im Empire gemietet, wenn die Zuwendung von zu Hause großzügiger gewesen wäre. Doch selbst die Mahlzeiten im Pub waren zur Zeit eine Qual, immer und überall wurde nur von Krieg geredet. Ihre Tante und ihr Onkel wahrten die Form, wenn sie ihr nicht aus dem Weg gehen konnten; um Lily scharwenzelten sie allerdings herum. Caroline konnte besser damit umgehen, seit sie sich mit Colin ausgesprochen hatte. Alice tat ihr beinahe Leid – arme treu ergebene Alice, gefangen in einem Netz aus Schuld, das so dicht war wie die Locken, die sie ins graumelierte Haar flocht.
    »Schlaf«, sagte Caroline an diesem Abend zu Lily, packte sie ein, strich das Baumwolllaken glatt. »Schlaf gut. Bald verreisen wir.«
    So oder so.
    Lily nickte ernst. Seit Weihnachten fragte sie nicht mehr nach ihrem Daddy. Sie hatte immer nur ausweichende Antworten bekommen.
    »Weg von hier?«, fragte Lily.
    »Weg von hier.«
    »Irgendwohin, wo uns nichts passieren kann?«
    »Irgendwohin, wo uns nichts passieren kann.«
     

     
    Ein sonniger Morgen. Die Fenchurch wurde asphaltiert, der Geruch von Teer wehte über die Stadt, überall das Klappern von Hufen und das flache Geklingel von Pferdegeschirr.
    Colin wartete in der Thames Street nahe den Docks, die Sonne im Rücken, Zeitung lesend. Ihre Erregung wuchs. Sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte. Sie hatte sich nichts zurechtgelegt. Sie brachte nur ein Sammelsurium an Hoffnungen und Ängsten mit.
    Sie war kaum ein paar Schritte auf ihn zugegangen, als in der Stadtmitte die Sirenen aufheulten.
    Das Geräusch lähmte sie, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken.
    Die Menschen am Kai standen auch wie gelähmt. Colin sah bestürzt von der Zeitung auf. Caroline hob die Arme; er lief auf sie zu. Die Sirenen heulten weiter.
    Sie fiel ihm in die Arme. »Was ist das?«
    »Ich weiß auch nicht.«
    »Ich will meine Tochter haben.« Irgendetwas Schlimmes trug sich zu. Lily würde Angst haben.
    »Dann komm.« Colin nahm ihre Hand und drückte sanft zu. »Wir finden Lily. Aber wir müssen uns beeilen.«
    Der Wind kam aus dem Osten – ein gleichbleibender Frühlingswind, rauchig und duftend. Der Fluss war ruhig und mit weißen Segeln gespickt. Im Süden am sumpfigen Ufer der Themse tauchten Schornsteine von Kanonenbooten auf.

 
Kapitel Zwanzig
     
     
     
    Es sei einfach, hatte Crane ihm erklärt. Wir sind Teil von etwas, das stärker wird. Und sie sind Teil von etwas, das schwächer wird.
    Vielleicht sah es aus seinem Blickwinkel so aus. Wie ein vergoldetes Suppositorium war Crane in die Reihen der Washingtoner Elite geflutscht – na ja, der Halbelite, der minderen Elite. Kaum ein paar Monate in der Stadt, und er arbeitete bereits in irgendeiner diffusen Funktion

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