Darwinia
willen, wir haben Krieg!«
»Und was hast du vor? Willst du den Krieg allein gewinnen?«
»Ich bin Soldat«, sagte er hilflos.
»Wie lange schon – zehn Jahre? Länger? Gott, lässt man dich nicht gehen oder willst du nicht?«
Er gab keine Antwort. Caroline kehrte ihm den Rücken zu. Sie ging zu Lily ans Fenster. Der Rauch von den Kais verdunkelte den Fluss, aber sie konnte stromabwärts die Schlote der amerikanischen Kanonenboote sehen und die britischen Schiffe, die sie bereits leckgeschossen hatten, zerstörte Dreadnaughts, die in der Themse versanken.
Die Artillerie verstummte. Jetzt waren die Stimmen zu hören, das Geschrei unten auf der Straße. Ein scharfer Geruch nach Rauch und brennendem Treibstoff wehte heran.
Die Stille zog sich hin. Schließlich sagte Colin: »Ich könnte den Dienst quittieren. Na ja, nein, nicht solange Krieg ist. Aber, Gott ist mein Zeuge, ich habe mit dem Gedanken…«
»Keine Rechtfertigung«, fiel ihm Caroline ins Wort.
»Ich will dir aber nicht wehtun.« Er zögerte. »Jetzt ist sicher nicht der passende Augenblick, aber ich habe mich nun einmal in dich verliebt. Und ich mache mir Sorgen um Lily.«
Caroline versteifte sich. Nicht jetzt, dachte sie. Nur, wenn er es ernst meint. Nicht, wenn es nur eine Entschuldigung ist, um gehen zu können.
»Versuch mich zu verstehen«, bettelte er.
»Ich verstehe dich. Verstehst du mich?«
Keine Antwort. Nur das Geräusch der Tür, die rasch ins Schloss fiel. Tja, das wär’s dann, dachte Caroline. Auf Nimmerwiedersehen, hol dich der Teufel, Lieutenant Watson! Nur noch wir beide, Lily und keine Tränen, keine Tränen.
Doch als sie sich umdrehte, war er noch da.
Die Hauptziele des Angriffs waren das Zeughaus und die verschiedenen britischen Kriegsschiffe, die an den Kais lagen, allesamt in der ersten Phase des Artilleriefeuers zerstört. Das Zeughaus und die dockseitigen Lagerhäuser brannten die ganze Nacht hindurch. Sieben britische Kriegsschiffe waren versenkt, die Ungetüme flackerten in der trägen Strömung der Themse.
Die anfänglichen Schäden am Londoner Hafen hielten sich in Grenzen und auch die Brände an den Kaianlagen hätte man unter Kontrolle bringen können, wenn da nicht die Irrläufer gewesen wären, die am Ostende der Candlewick einschlugen.
Das erste zivile Opfer war ein Bäcker namens Simon Emmanuel, der kürzlich aus Sydney angekommen war. Sein Laden hatte sich geleert, als die amerikanischen Schiffe den Fluss heraufkamen. Er stand an den Backöfen und wollte mehrere Dutzend Rosinenbrötchen retten, als eine Artilleriegranate durchs Dach schlug und vor seinen Füßen explodierte. Er war sofort tot. Das Feuer verschlang Emmanuels Laden und griff rasch auf die benachbarten Ställe über und auf die Brauerei gegenüber.
Die Anwohner wollten eine Eimerkette bilden, um die Brände zu löschen, wurden aber durch die Explosion einer frisch gelegten Gasleitung vertrieben. Zwei städtische Arbeiter und eine schwangere Frau starben in der Detonation.
Der Ostwind wurde trocken und böig. Er hüllte die Stadt in Rauch.
Caroline und Colin blieben mit Lily in dem Hotelzimmer, wohlwissend dass ihre Stunden hier gezählt waren. In der Frühe verließ Colin das Hotel, um etwas Essbares aufzutreiben. Die meisten Geschäfte und die Verkaufsstände in der Market Street waren geschlossen, ein paar Stände waren bereits geplündert. Er kam mit einem Laib Brot und einem Glas Melasse zurück. Die Küche des Empire war ein Opfer der Umstände geworden, doch im Speisesaal gab es kostenlos Flaschenwasser.
Den Morgen über beobachtete Caroline die brennende Stadt.
Die Brände an den Docks waren unter Kontrolle, aber das Ostviertel brannte lichterloh; nichts und niemand konnte das Feuer hindern, die ganze Stadt zu verschlingen. Das Feuer war jetzt gewaltig, unberechenbar, preschte plötzlich voran oder zauderte, je nachdem wie der Wind blies. Die Luft stank nach Asche und Schlimmerem.
Colin breitete ein sauberes Taschentuch über den Beistelltisch und setzte ihr ein mit Melasse getränktes Stück Brot vor die Nase. Caroline nahm einen Bissen, dann schob sie das Tischchen beiseite. »Wo sollen wir hin?« Irgendwohin mussten sie ja gehen. Und zwar bald.
»Nach Westen«, sagte Colin gefasst. »Viele schlafen schon in der Hochheide. Es gibt Zelte. Wir nehmen Decken mit.«
»Und danach?«
»Schwer zu sagen. Hängt vom Krieg ab und von uns.
Ich muss der Militärpolizei aus dem Weg gehen, fürs Erste wenigstens. Und
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