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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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selbst hatte es in seiner Dienstzeit so gehalten und sich schön schlimm da drin verrannt; war in jeder Hinsicht genauso falsch, wie sich Gefühle zu leisten.
    »Tatsache ist, daß wir Tetherdowne möglicherweise ganz verlieren«, sagte sie, »und das wäre ein Skandal. Sicher, es sieht nicht gerade danach aus…«
    ».. .aber ‘n Zuchthause ist es doch.« Er lachte. Der Witz war für die Katz. Sie schien ihn nicht mal gehört zu haben.
    »Sie«, ihr Tonfall wurde schärfer, »Sie bringen einen soliden (sagte sie: so rüden?) Background aus dem Polizeidienst mit.
    Unsere Hoffnung geht dahin, daß Ihre Anstellung von den Finanzierungsbehörden sehr begrüßt werden wird.«
    Also das war’s: Expolizist, pro f orma zur Beschwichtigung der maßgeblichen Regierungsstellen ins Spiel gebracht und um Bereitwilligkeit gegenüber der Strafvollzugsbehörde zu bekunden. In Wirklichkeit wollten sie ihn hier gar nicht. Sie wollten irgendeinen Soziologen, der umfassende Berichte über den Einfluß der Klassengesellschaft auf Gewalttaten Jugendlicher verfaßte. Zwischen den Zeilen gab sie ihm zu verstehen, daß er unerwünscht war, das fünfte Rad am Wagen.
    »Ich hab’ Ihnen bereits gesagt, weshalb ich von der Polizei weg bin.«
    »Sie erwähnten so was. Als Invalide entlassen.«
    »Ich hab’ keinen Bürojob annehmen wollen, so einfach war das; und sie wollten mich nicht tun lassen, was ich am besten konnte. Selbstgefährdung nannten’s einige von ihnen.«
    Seine Erklärung machte sie anscheinend etwas verlegen. War doch eine Psychologin; das Zeugs hätte eigentlich ein Fressen fiir sie sein müssen, es war seine persönliche Kränkung, die er hier publik machte. Er war geständig, weiß Gott.
    »So saß ich auf dem Hintern, nach vierundzwanzig Jahren.«
    Er zögerte, dann sagte er, worauf es ihm ankam: »Ich bin kein Pro-forma-Polizist; ich bin überhaupt kein Polizist. Der Dienst und ich sind geschiedene Leute. Sie verstehen, was idi meine?«
    »Ja, sehr gut.« Sie verstand nicht die Bohne. Er probierte einen anderen Einstieg.
    »Möcht’ gern wissen, was man den Jungs erzählt hat.«
    »Erzählt hat?«
    »Über mich.«
    »Also… einiges über Ihren Background.«
    »Aha.« Man hat sie gewarnt. Bullenschweine im Anmarsch.
    »Es schien mir wichtig.«
    Er brummte.
    »Sehen Sie, viele dieser Jungen haben echte Aggressionspro-bleme. Daraus erwachsen so vielen Schwierigkeiten, Sie haben sich selbst nicht unter Kontrolle, und infolgedessen leiden sie.«
    Er machte keinen Einwand, aber sie sah ihn streng an, als hätte er einen gemacht.
    »O ja, sie leiden. Deswegen geben wir uns solche Mühe, wenigstens etwas Aufgeschlossenheit für ihre Situation zu zeigen, ihnen beizubringen, daß es Alternativen gibt.«
    Sie ging zum Fenster hinüber. Vom zweiten Stock aus hatte man einen ziemlich genauen Überblick über die Anlagen.
    Tetherdowne war eine Art Landsitz gewesen, und zum Hauptgebäude gehörte eine beträchtliche Menge Grund. Da war ein Sportplatz, dessen Gras in der hochsommerlichen Hitze verdorrte. Dahinter eine Gruppe Nebengebäude, einige ausgemergelte Bäume, Buschwerk und dann rohes Ödland bis hin zur Mauer. Er hatte die Mauer schon von außen gesehen.
    Alcatraz wäre stolz auf sie gewesen.
    »Wir versuchen, ihnen ein bißchen Freiheit zu geben, ein bißchen Erziehung, ein bißchen Mitgefühl. Sie kennen wahrscheinlich die landläufige Vorstellung, daß Straffälligen ihr kriminelles Verhalten Spaß macht? Ich selber hab’ das in keiner Weise bestätigt gefunden. Zu mir kommen sie schuldbewußt, innerlich gebrochen…«
    Ein innerlich gebrochenes Opfer zückte hinter dem Rücken der Leverthal die Finger zum »V«, als er den Gang runter schlenderte. Seine angeklatschten Haare waren dreifach gescheitelt, die Eigenbautätowierungen auf seinem Unterarm unvollständig.
    »Immerhin - sie haben Straftaten begangen«, beharrte Redman.
    »Ja, aber…«
    »Und diese Tatsache muß man ihnen doch wohl vor Augen halten.«
    »Ich glaube nicht, daß man ihnen irgendwas vor Augen halten muß, Mr. Redman. Ich glaube, sie fühlen brennende Schuld.«
    Auf Schuld war sie versessen; das überraschte ihn nicht.
    Hatten sich die Kirchenkanzel unter den Nagel gerissen, diese Analytiker. Hatten da drohen die Stelle der Bibelfritzen eingenommen, mit dem fadenscheinigen Gepredige übers Höllen-feuer, bloß mit etwas weniger farbenprächtigem Vokabular.
    War aber im Grund genommen genau dieselbe Geschichte mitsamt den Verheißungen der Genesung,

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