Das 2. Buch Des Blutes - 2
seinem Schädel eingeprägte Kampfregel war angesichts der nackten Giernach Polos Leben vergessen.
Es schritt über die Schwelle und nahm die Verfolgung auf. Das war eine unverzeihliche Übertretung. Irgendwo in der Hölle fühlten die Mächte (lang mögen sie hofhalten; lang mögen sie Licht scheißen auf die Scheitel der Verdammten) den Fehltritt und wußten, daß die Schlacht um Polos Seele verloren war.
Jack fühlte es auch. Er hörte das Geräusch von kochendem Wisser, als die Tritte des Dämons den Schnee auf dem Weg zu Dampf schmolzen. Es folgte ihm tatsächlich! Das Wesen hatte das oberste Gebot seines Daseins gebrochen. Und dies verwirkt. Das Siegesgefühl durchrieselte Jacks Rückgrat und Magen.
Der Dämon holte ihn am Gartentor ein. Man konnte deutlich seinen Atem in der Luft sehen, obwohl der Körper, aus dem er quoll, noch nicht sichtbar geworden war.
Jack versuchte, das Tor zu öffnen, aber das Geyatter warf es ins Schloß.
»Che sera, sera«, sagte Jack.
Das Geyatter konnte es nicht länger ertragen. Es nahm Jacks Kopf in seine Hände, um die fragile Knochenkapsel zu Staub zu zermalmen.
Die Berührung war sein Fehltritt Nummer zwei; und ein Schmerzschock peinigte das Geyatter bis zur Unerträglichkeit.
Es heulte auf wie ein Würgeengel und taumelte weg aus dem Feindkontakt, ruschte dabei im Schnee aus und fiel auf den Rücken.
Es kannte seinen Fehler. Die Lehren, die man ihm eingebleut hatte, kamen ihm blitzschnell zur Besinnung. Es kannte auch die Strafe fürs Hausverlassen und fürs Mannanfassen. Es war an einen neuen Herrn gefesselt, Sklave dieses Idiotenwesens da, das über ihm stand.
Polo hatte gewonnen.
Lachend sah er zu, wie die Umrisse des Dämons im Schnee auf dem Gartenpfad Gestalt annahmen. Ähnlich, wie sich ein Fotoabzug auf einem Blatt Papier entwickelt, kam das Bild der Furie klar und deutlich zum Vorschein. Das Gesetz forderte seinen Tribut. Nie mehr wieder konnte sich das Geyatter vor seinem Meister verbergen. Und da lag es kraß und ungeschönt vor Polos Augen in seiner ganzen reizlosen Herrlichkeit: kastanienbraunes Fleisch und glänzendes, lidloses Auge, herumschlegelnde Arme, dazu ein Schwanz, der den Schnee zu Matsch zerdrosch.
»Du Sauhund«, sagte es. Sein Akzent hatte australischen Einschlag.
»Du sprichst nur, wenn man dich dazu auffordert«, sagte Polo mit ruhiger, aber uneingeschränkter Herrscherwürde. »Verstanden?«
Das lidlose Auge trübte sich in Demut.
»Ja«, sagte das Geyatter.
»Ja, Mister Polo.«
»Ja, Mister Polo.«
Sein Schwanz glitt ihm zwischen die Beine wie der eines geprügelten Hundes.
»Du kannst aufstehen.«
»Danke, Mister Polo.«
Aufrecht stand es da. Kein angenehmer Anblick, aber trotzdem war Jack hocherfreut darüber.
»Die kriegen Sie doch noch«, sagte das Geyatter.
»Wer?«
»Sie wissen schon«, sagte es zögerlich.
»Nenn sie mir!«
»Beelzebub«, antwortete es voll Stolz, seinen alten Meister beim Namen zu nennen. »Die Mächte. Mit einem Wort: die Hölle selbst.«
»Das glaub’ ich nicht«, sagte Polo nachdenklich. »Nicht, wo du jetzt an mich gefesselt bist - das ist doch der schlagendste Beweis für meine Fähigkeiten. Sind Wir ihnen nicht überlegen?«
Der Blick des Auges verdüsterte sich.
»Na, sind Wir’s nicht?«
»Doch«, räumte es verbittert ein. »Doch. Ihr seid ihnen überlegen.«
Es hatte zu zittern angefangen.
»Ist dir kalt?« fragte Polo.
Es nickte, nahm den Ausdruck eines verinten Kindes an.
»Dann brauchst du etwas Bewegung«, sagte er. »Am besten, du gehst ins Haus und fängst an aufzuräumen.«
Augenscheinlich bestürzte, ja enttäuschte diese Anweisung das Furienwesen.
»Sonst nichts?« fragte er ungläubig. »Keine Wunder? Keine schöne Helena? Auch nicht fliegen?«
Die Vorstellung, an einem schneedurchschauerten Nachmittag wie diesem in der Gegend rumzufliegen, ließ Polo kalt. Er war von Natur aus alles andere als anspruchsvoll in seinen Neigungen : Wunschlos glücklich machten ihn die Liebe seiner Kinder, ein angenehmes Zuhause und ein profitabler Handelspreis für Gewürzgurken.
»Fliegen? Nein«, sagte er.
Während das Geyatter den Gartenpfad Richtung Haustür entlanglatschte, schien ihm unvermutet ein neues Unheil einzu-fallen.
Es machte kehrt und wandte sich kriecherisch, aber unverkennbar blasiert an Polo.
»Wenn ich vielleicht was sagen dürfte?« fragte es.
»Rede!«
»Es ist nur fair, daß ich Euch davon in Kenntnis setze, daß man es für sündhaft hält, irgendeine
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