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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Nase lief Rotz.
    »Schwein?«
    »Er meint Bullenschwein - Po-li-zist«, sagte der eine Junge.
    Das Wort wurde mit spöttisch-giftiger Überdeutlichkeit ausgesprochen, als würde es einem Schwachsinnigen vorbuchsta-biert.
    »Ich weiß, was er meint, Junge«, sagte Redman, noch immer entschlossen, Lacey mit seinem Blick aus der Fassung zu bringen. »Ich weiß recht gut, was er meint.«
    »Wirklich?«
    »Sei still, Lacey«, sagte die Leverthal, »steckst schon tief genug in der Patsche.«
    »Ja, mein Sohn. Ich bin das Schwein.«
    Das Duell der Blicke ging weiter, ein intimer Privatkrieg zwischen dem Jungen und dem Mann.
    »Gar nichts wissen Sie«, sagte Lacey. Es war keine abfällige Bemerkung, der Junge drückte einfach seine Sicht der Wahrheit aus. Sein Blick blieb klar und fest.
    »Is’ gut, Lacey, das reicht.« Der Wachmann versuchte, ihn wegzuzerren; zwischen Pyjamaoberteü und Hose kam sein Bauch zum Vorschein, eine glatte Wölbung milchiger Haut.
    »Lassen Sie ihn reden!« sagte Redman. »Was weiß ich nicht?«
    »Er kann seine Version dieser Geschichte dem Direktor vortra-gen«, sagte die Leverthal, bevor Lacey antworten konnte. »Das ist nicht Ihre Angelegenheit.«
    Aber es war sehr wohl seine Angelegenheit. Der starre Blick machte dies zu seiner Angelegenheit: so bohrend, so heillos.
    Der starre Blick verlangte, daß dies seine Angelegenheit wurde.
    »Lassen Sie ihn reden!« sagte Redman und setzte sich mit unbeirrbarem Nachdruck in der Stimme über die Leverthal hinweg. Der Wachmann lockerte seinen Griff ein wenig.
    »Warum hast du’s drauf angelegt und wolltest entwischen, Lacey?«
    »Weil er zurückgekommen ist.«
    »Wer ist zurückgekommen? Einen Namen, Lacey! Von wem sprichst du?«
    Mehrere Sekunden lang spürte Redman, wie der Junge gegen einen Pakt mit dem Schweigen ankämpfte; dann schüttelte Lacey den Kopf und unterbrach den elektrisierenden Austausch zwischen ihnen. Er schien irgendwo abzudriften; eine Art Rätselschock machte ihn mundtot.
    »Dir passiert nicht das Geringste.«
    Lacey starrte auf seine Füße und runzelte die Stirn. »Ich will jetzt wieder ins Bett«, sagte er. Die Bitte einer Jungfrau.
    »Nicht das Geringste, Lacey. Ich versprech’s dir.«
    Das Versprechen bewirkte anscheinend herzlich wenig; Lacey war sprachlos. Aber es war trotzdem ein Versprechen, und er hoffte, daß Lacey sich das klarmachte. Augenscheinlich warder Junge erschöpft von der Anstrengung seiner mißglückten Flucht, der Verfolgung, dem starren Blick. Sein Gesicht war aschfahl. Er ließ sich vom Wachmann wegziehen und zurück-bringen. Bevor er um die Ecke bog, schien er sich es anders zu überlegen. Er bemühte sich freizukommen, brachte dies zwar nicht fertig, aber es gelang ihm, sich umzudrehen, um dem Fragesteller das Gesicht zuzukehren.
    »Henessey«, sagte er, und noch einmal begegnete Redmans Blick dem seinen. Das war alles. Man zerrte ihn außer Sicht, ehe er noch etwas hinzufügen konnte.
    »Henessey?« sagte Redman und fühlte sich plötzlich sehr fremd. »Wer ist Henessey?«
    Die Leverthal zündete sich eine Zigarette an. Dabei zitterten ihr kaum merklich die Hände. Gestern war ihm das nicht aufgefallen, aber es überraschte ihn nicht. Den Seelenklempner sollte man ihm mal zeigen, der nicht selber Probleme hatte.
    »Der Junge lügt«, sagte sie, »Henessey ist nicht mehr bei uns.«
    Kleine Pause. Redman drängte nicht, das würde sie nur nervös machen.
    »Lacey ist intelligent«, fuhr sie fort und führte die Zigarette an ihre farblosen Lippen. »Er kennt genau den wunden Punkt.«
    »Hh?«
    »Sie sind neu hier, und er will bei Ihnen den Eindruck erwekken, daß er ein Geheimnis hat, das er mit niemandem teilt.«
    »Dann ist es also kein Geheimnis?«
    »Das mit Henessey?« schnaubte sie verächtlich, »Guter Gott, nein! Er ist Anfang Mai aus der Schutzhaft geflohen. Zwischen ihm und Lacey…« Sie zögerte unwillkürlich. »Zwischen ihm und Lacey war irgendwas. Drogen vielleicht, wir haben’s nie rausgefunden. Kleber-Schnüffeln, gegenseitige Masturbation, weiß der Himmel was.«
    Das ganze Thema war ihr wirklich ausgesprochen unangenehm. Die Abneigung stand ihr - ein Dutzend verkrampfter Stellen verrieten es - ins Gesicht geschrieben.
    »Wie ist Henessey entkommen?«
    »Das wissen wir immer noch nicht«, sagte sie. »Er ist einfach eines Morgens nicht zum Appell erschienen. Alles wurde von oben bis unten durchsucht. Aber er war fort.«
    »Ist es denkbar, daß er zurückkehrt?«
    Sie lachte

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