Das 2. Buch Des Blutes - 2
wenn man sich nur brav an die Rituale hielt. Und siehe, der Gerechte soll eingehen ins Himmelreich.
Er bemerkte, daß auf dem Sportplatz eine Verfolgungsjagd stattfand. Eine Verfolgung, und jetzt eine Überwältigung. Ein Opfer traktierte ein anderes, kleineres äußerst heftig mit den Stiefeln; ein ziemlich erbarmungsloses Schauspiel.
Die Leverthal erfaßte die Situation zur gleichen Zeit wie Redman.
»Sie entschuldigen. Ich muß…«
Schon war sie auf dem Weg die Treppe runter.
»Zu Ihrer Werkstatt geht’s die dritte Tür links, wenn Sie schon mal reinschauen möchten«, rief sie über die Schulter. »Ich bin gleich wieder da.«
Einen Dreck war’ sie das. Nach dem zu urteilen, wie sich die Szene auf dem Platz entwickelte, würde man drei Stemmeisen brauchen, um die beiden auseinanderzubringen.
Redman schlenderte zu seiner Werkstatt. Die Tür war abgesperrt, aber durch das Drahtglas konnte er die Hobelbänke, die Schraubstöcke und das Werkzeug sehen. Gar nicht so übel. Er könnte ihnen sogar einigermaßen das Schreinern beibringen, wenn man ihm nur lang genug freie Hand ließ.
Er war ein bißchen enttäuscht, daß er nicht rein konnte. Er machte kehrt, ging den Flur zurück und folgte der Leverthal nach drunten. Schnell gelangte er hinaus auf den sonnenbeschienenen Sportplatz. Eine kleine Zuschauertraube hatte sich um das Kampf geschehen oder das Gemetzel gebildet. Jetzt war es ruhig. Die Leverthal stand da und blickte zu dem Jungen am Boden runter. Einer vom Wachpersonal kniete neben dem Kopf des Jungen; die Verletzungen sahen böse aus.
Etliche der Zuschauer schauten auf, als Redman näherkam, und begafften das neue Gesicht. Geflüster machte die Runde, hie und da ein Lächeln. Redman sah den Jungen an. Sechzehn vielleicht, er lag mit der Wange gegen den Boden, als ob er auf Irgendwas in der Erde horchte.
»Lacey.« Die Leverthal nannte den Namen des Jungen für Redman.
»Hat’s ihn schlimm erwischt?«
Der Mann, der neben Lacey kniete, schüttelte den Kopf. »Nicht besonders schlimm. Bißchen gestürzt. Nichts gebrochen.«
Blut war im Gesicht des Jungen, von seiner gequetschten Nase.
Seine Augen waren geschlossen. Friedlich. Er hätte tot sein können.
»Wo ist die verdammte Bahre?« fragte der Wachmann. Es war ihm offenkundig unbehaglich auf dem hitzegehärteten Boden.
»Kommt schon, Sir«, sagte jemand. Redman hielt ihn für den Schläger. Ein dünner Bursche um die neunzehn. Die Art Blick, die Milch auf zwanzig Schritt Entfernung sauer werden läßt.
Tatsächlich tauchte jetzt eine kleine Schar Jungen aus dem Hauptgebäude auf, sie trugen eine Bahre und eine rote Decke.
Jeder grinste übers ganze Gesicht.
Die Zuschauergruppe begann sich zu verlaufen, jetzt, wo das Beste vorbei war. Es macht nicht viel Spaß, die Scherben aufzulesen.
»Moment, Moment«, sagte Redman. »Braucht’s denn hier keine Zeugen? Wer war es denn?«
Ein paar zuckten mit den Achseln, aber die meisten stellten sich taub. Sie schlenderten davon, als hätte niemand etwas gesagt.
Redman fuhr fort: »Wir haben’s gesehen. Vom Fenster aus.«
Die Leverthal kam ihm nicht zu Hilfe.
»Es war doch so, oder?« fragte er sie herausfordernd.
»Es war zu weit weg, um irgend jemand eine Schuld geben zu können, glaub’ ich. Aber daß mir nie mehr eine solche schika-nöse Schinderei vor Augen kommt, verstanden?«
Sie hatte Lacey gesehen und mußte ihn aus jener Entfernung unschwer erkannt haben. Warum nicht auch den Schläger?
Redman hätte sich ohrfeigen können, weil er sich nicht besser konzentriert hatte. Ohne die dazugehörigen Namen und Personalien war es schwierig, die Gesichter auseinanderzuhalten.
Ehe Wahrscheinlichkeit, den Falschen zu beschuldigen, war hoch, wenngleich er fast sicher war, daß nur der Junge mit dem Gerinnungsblick in Betracht kam. Zum Fehlermachen war jedoch jetzt ganz entschieden nicht der rechte Zeitpunkt; diesmal mußte er die strittige Frage auf sich beruhen lassen.
Die Leverthal blieb anscheinend von der ganzen Sache ungerührt. »Lacey«, sagte sie ruhig. »Immer ist es Lacey.«
»Er will’s nicht anders«, sagte einer der Jungen, die die Bahre gebracht hatten, und strich sich eine Garbe weißblonden Haares aus den Augen. »Er kapiert es nicht.«
Die Leverthal nahm die Aussage nicht zur Kenntnis, beaufsich-tigte, wie Lacey auf die Bahre gelegt wurde, und schon war sie wieder auf dem Rückweg zum Hauptgebäude, Redman im Schlepptau. All das geschah so beiläufig, beinahe wie
Weitere Kostenlose Bücher