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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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ihr.
    »Augenblick noch. Buck. Wir ham die ganze Nacht für uns, Herrgott noch mal.«
    »Ich bin Laura-May Cade«, sagte die Frau mit dem vertrauten Gesicht und stellte dabei das Eiswasser auf dem Tisch ab.
    Natürlich, dachte Sadie, du bist die kleine Laura-May. Das Mädchen war fünf oder sechs gewesen, als Sadie das letzte Mal hier war: ein sonderbares, verschwiegenes Kind, voller verschlagener Blicke. Die dazwischenliegenden Jahre hatten sie körperlich reifen lassen, aber das Befremdliche trat in ihren leicht verschobenen Gesichtszügen noch immer deutlich in Erscheinung. Sadie drehte sich nach Buck um, der auf dem Bett saß und sich die Schuhe aufband.
    »Erinnerst du dich an das kleine Mädchen«, sagte sie, »der du
    ’n Vierteldollar gegeben hast, bloß damit sie verschwindet?«
    »Was is’ mit ihr?«
    »Sie is’ hier.«
    »Ah ja?« antwortete er, offensichtlich uninteressiert.
    Laura-May hatte das Wasser eingeschenkt und brachte ein Glas jetzt zu Virginia hinüber.
    »Is’ richtig schön, jemanden wie Sie hier zu haben«, sagte sie, »Viel Abwechslung ham wir hier nicht. Bloß ab und zu mal ’n Tornado.«
    Gyer nickte Earl zu, der zog einen Fünfdollarschein heraus und gab ihn Laura-May. Ihm dankend, sagte sie, das sei nicht nötig, und nahm dann den Schein. Sie ließ sich jedoch nicht bestechen zu gehen.
    »So ein Wetter erweckt bei den Leuten ganz eigenartige Gefühle«, fuhr sie fort.
    Earl konnte vorhersagen, welches Thema Laura-May auf der Zunge lag. Auf dem Weg hierher hatte er die Geschichte bereits in groben Zügen gehört; und er wußte, daß Virginia keineswegs in der Stimmung war, so eine Erzählung zu hören
    »Danke fürs Wasser…« sagte er und legte eine Hand auf Laura-Mays Arm, um sie zur Tür hinauszugeleiten. Aber da schaltete sich Gyer ein.
    »Meine Frau hat Kreislaufprobleme wegen der Hitze«, sagte er.
    »Sie sollten achtgeben, Ma’am«, riet Laura-May, »manche machen kolossal verrückte Dinge…«
    »Was zum Beispiel?« fragte Virginia.
    »Ich glaub’ nicht, daß wir das…« fing Earl an.
    Aber ehe er sagen konnte: hören wollen, antwortete Laura-May beiläufig: »Ach, Mord hauptsächlich.«
    Virginia schaute von dem Glas Eiswasser auf, in das sie gedankenverloren gestarrt hatte. »Mord?« fragte sie.
    »Hörst du das?« sagte Sadie stolz. »Sie erinnert sich.«
    »Genau in diesem Zimmer«, konnte Laura-May noch ausschwatzen, ehe Earl sie gewaltsam hinausführte.
    »Warte!« sagte Virginia, als die zwei Gestalten zur Tür hinaus waren. »Earl! Ich möchte hören, was passiert ist.«
    »Nein, das tust du nicht«, sagte Gyer.
    »O doch, das tut sie«, sagte Sadie sehr ruhig und studierte den Ausdruck in Virginias Gesicht. »Du möcht’st es wirklich gern wissen, nicht wahr, Ginnie?«
    Einen möglichkeitsschwangeren Moment lang schaute Virginia von der Zugangstür weg und starrte geradewegs ins Zimmer acht, wobei ihre Augen auf Sadie zu ruhen schienen.
    Der Blick war so direkt, beinah als ob sich Erkennen darin widerspiegelte. Das Eis in ihrem Glas klimperte. Sie runzelte die Stirn.
    »Was hast du?« fragte Gyer.
    Virginia schüttelte den Kopf.
    »Was du hast, frag’ ich dich«, insistierte Gyer.
    Virginia stellte ihr Glas, auf den Nachttisch ab. Einen Moment später sagte sie schlicht und lapidar: »Es ist jemand hier, John.«
    »Was soll’n das heißen?«
    »Es ist jemand bei uns im Zimmer. Ich hab’ vorhin Stimmen gehört. Laute, erregte Stimmen.«

    »Von nebenan«, sagte Gyer.
    »Nein, aus Earls Zimmer.«
    »Es ist leer. Es muß von nebenan gekommen sein.«
    Virginia war mit Logik nicht zum Schweigen zu bringen.
    »Ich hab’ Stimmen gehört, sag’ ich dir. Und ich hab’ jemanden am Bettende gesehen. Irgend etwas in der Luft.«
    »Ach, du lieber Heiland!« sagte Sadie im Flüsterton. »Das gottverdammte Weib is’n Medium.«
    Buck stand auf. Er war jetzt nackt bis auf die kurzen Unterhosen. Er schlenderte zur Verbindungstür, um Virginia mit neuer Wertschätzung anzusehen.
    »Bist du sicher?« fragte er.
    »Still!« sagte Sadie zu ihm und rückte aus Virginias Blickrichtung. »Sie hat gesagt, sie kann uns sehn.«
    »Du fühlst dich nicht wohl, Virginia«, sagte Gyer im anderen Zimmer. »Das sind diese Pillen, die er dir zu schlucken gibt…«
    »Nein«, antwortete Virginia mit lauter werdender Stimme.
    »Wann hörst du endlich auf, von den Pillen zu reden? Die sollten mich nur ruhiger machen, mir einschlafen helfen.«
    Die is’ jetzt alles andere als ruhig, dachte

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