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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Er fiel einfach nach hinten, sein Nervensystem geschockt bis zur Bewußtlosigkeit, was gut war für Charlie. Ihm blieb das Gurgeln seines durch das Verschlußloch der Spüle ablaufenden Blutes erspart. Ihm blieben auch der zweite und dritte Hieb, die seine Hand schließlich vom Arm abtrennten, erspart. Nunmehr ohne Halt, kippte sein Körper hintenüber und stieß auf dem Weg nach unten mit dem Gemüsebehälter zusammen.
    Zwiebeln rollten aus ihrer braunen Tüte und tanzten in der Lache, die sich pulsierend um sein kahles Handgelenk herum ausbreitete.
    Die Rechte ließ das Hackmesser fallen. Es rasselte in die blutige Spüle. Erschöpft ließ sich der Befreier von der Hackbank gleiten und auf die Brust des Tyrannen zurücksinken. Die Aufgabe war erledigt. Die Linke war frei, und noch am Leben. Die Revolution hatte begonnen.
    Die befreite Hand flitzte an den Rand des Geschirrschranks und hob ihren Zeigefinger, um die neue Welt zu erschnuppern.
    Vorübergehend verfiel die Rechte in ebendieselbe Siegerpose, ehe sie in Unschuld auf Charlies Körper zusammensackte.
    Einen Moment lang regte sich nichts in der Küche, bis auf die linke Hand, die mit ihrem Finger die Freiheit ertastete, und das langsame Herabrinnen von Blutfäden auf der Vorderseite des Geschirrschranks.
    Dann alarmierte ein kalter Luftzug vom Eßzimmer her die Linke über die ihr drohende Gefahr. Eilends suchte sie Deckung, während das Getrappel von Polizistenfüßen und das Gebrabbel widersprüchlicher Anweisungen die Szene des Triumphs störten. Das Licht im Eßzimmer wurde angeschaltet und flutete in die Küche herein, wo es den Körper auf den Fliesen traf.
    Charlie sah das Eßzimmerlicht am Ende eines sehr langen Tunnels. In Windeseile sauste er weg davon. Schon war es bloß noch ein Nadelstich. Und weiter… weiter…
    Die Küchenbeleuchtung erwachte summend zum Leben.
    Als die Polizei die Küche betrat, verkrümelte sich die Linke schnell hinter den Mülleimer. Sie wußte nicht, wer diese Eindringlinge waren, aber sie ahnte, daß eine Bedrohung von ihnen ausging. Die Art, in der sie sich über den Tyrannen beugten, die Art, in der sie ihn hätschelten, ihn verbanden, sanfte Worte an ihn richteten: Sie waren der Feind, ganz zweifellos.
    Aus dem oberen Stock kam eine Stimme; jung, und piepsend vor Schreck.
    »Sergeant Yapper?«
    Der Polizist bei Charlie stand auf und überließ es seinem Begleiter, die Blutstillung zu Ende zu bringen.
    »Was gibt’s, Rafferty?«
    »Sir! Hier oben is’ ’ne Leiche, im Schlafzimmer. Weiblich.«
    »Verstanden.« Yapper sprach in sein Funkgerät. »Die Mordkommission muß her. Und wo bleibt die Rettung? Wir ham hier ’nen schlimm zugerichteten Mann auf dem Hals.«
    Er ging in die Küche zurück und wischte sich einen Fleck kalten Schweiß von der Oberlippe. Zur gleichen Zeit glaubte er zu sehen, wie sich etwas über den Küchenboden Richtung Tür bewegte; etwas, das seine müden Augen schon als große rote Spinne interpretieren wollten. Ein trügerischer Lichteffekt, ganz zweifellos. Yapper war kein Spinnenfachmann, aber er war sich verdammt sicher, daß die Gattung kein derartiges Tier aufzuweisen hatte.
    »Sir?« Der Mann neben Charlie hatte die Bewegung auch gesehen oder zumindest mitbekommen. Er schaute zu seinem Vorgesetzten auf. »Was war das?« wollte er wissen.
    Yapper schaute ausdruckslos zu ihm hinunter. Die unten in der Küchentür angebrachte Katzenklappe schloß sich mit einem Flapplaut. Was es auch war, jedenfalls war es entwischt.
    Flüchtig blickte Yapper zur Tür, weg von dem fragenden Gesicht des jungen Mannes. Das Dumme ist, dachte er, sie erwarten von einem, daß man alles weiß. Die Katzenklappe schaukelte in ihren Scharnieren.
    »’ne Katze«, entgegnete er, ohne seine eigene Erklärung auch nur einen armseligen Augenblick lang zu glauben.
    Die Nacht war kalt, aber die Linke spürte es nicht. Sie kroch seitlich um das Haus herum, hielt sich dabei nah an der Wand wie eine Ratte. Die Empfindung der Freiheit war belebend.
    Nicht die Befehlsgewalt des Tyrannen in ihren Nerven zu spüren; nicht die Schwere seines lächerlichen Körpers zu ertragen oder verpflichtet zu sein, auf seine läppischen Forderungen einzugehen. Nicht für ihn holen und tragen zu müssen, die Dreckarbeit für ihn machen zu müssen; seinem belanglosen Willen nicht Gehorsam zu leisten. Es war wie die Geburt in eine andere Welt; eine gefährlichere Welt vielleicht, aber eine an Möglichkeiten so viel reichere. Sie wußte, daß die

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