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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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benachrichtigen.“
    „Was ist passiert?“, fragte George, nachdem sie aufgelegt hatte.
    „Bei uns ist eingebrochen worden. Mum hat die Einbrecher überrascht und ist niedergeschlagen worden. Die alte Mrs. Dzembritzki vom Haus rechts neben uns hat sie gefunden. Beziehungsweise ihr Hund. Du weißt ja, dass der gern durch die Katzenklappe kriecht und früher Miss Jekyll, unserer alten Katze, das Futter weggefressen hat.“
    „Wie geht es deiner Mutter?“
    „Weiß ich noch nicht, ich rufe jetzt sofort das Krankenhaus an“, sagte Vicky und tippte bereits die Vorwahl ein. „Sie haben sie ins Royal nach Bournemouth gebracht.“
    George kam mit zwei Bechern Kaffee zum Küchentisch.
    „Hast du gefragt, ob etwas gestohlen wurde?“, sagte er.
    „Woher sollen die das wissen. Im Haus sieht es schrecklich aus, sagt die Dzembritzki. Aber was gibt es bei Mum schon zu holen?“
    Vicky erklärte nunmehr zum dritten Mal jemandem im Krankenhaus, dass sie die Tochter von Fiona Pratchett sei, die vor kurzem als Notfall eingeliefert wurde, und gern wissen würde, wie es ihrer Mutter gehe.
    „Ich weiß, dass Sie eigentlich keine Auskünfte geben dürfen. Nein, ich kann nicht sofort ins Krankenhaus kommen, ich rufe aus Berlin an, aus Deutschland!“ Vickys Stimme hatte jenen Unterton angenommen, mit dem sie sich in ihrer Organisation jederzeit Respekt verschafft hatte.
    Sie schien mit halb Bournemouth verbunden zu werden. Erneut setzte sie an: „Guten Abend, mein Name ist Victoria McIntosh, ich bin die Tochter …“ Weiter kam sie diesmal nicht. George sah, wie aus Vickys konzentriertem, erhitztem Gesicht alle Farbe wich. „Bitte, nein, ich kann nicht, ich bin in Berlin, vor morgen früh komme ich hier nicht weg! Bitte, passen Sie auf sie auf, ja?“
    George zog sich das Notebook heran, das auf dem Küchentisch stand, und fuhr das Programm hoch. So, wie sich das anhörte, würde Vicky den ersten Flieger nach London brauchen.
    Vicky hatte im Krankenhaus ihre Nummer hinterlassen und aufgelegt.
    „Oh Gott, George, er hat gesagt, wenn ich meine Mutter noch lebend sehen will, dann sollte ich mich beeilen.“
    „Sieben Uhr fünfunddreißig, British Airways nach Heathrow. Soll ich für uns beide buchen?“
    Vicky nickte. „Danke. Und einen Mietwagen.“
    Dann rief sie Onkel Willy an, der in Sheffield lebte, wenn er sich nicht gerade bei ihrer Mutter „zur Pflege“ eingenistet hatte. Er war der einzige noch lebende Verwandte, den Vicky außer ihrer Mutter hatte, eigentlich ihr Großonkel.
    Selbst George hörte den volltönenden Bariton von Onkel Willy, der im breitesten Yorkshire-Slang versicherte, er werde ganz gewiss zu seinem Lass fahren. Lass war Onkel Willys Ausdruck für Mädchen, so viel Dialekt verstand George gerade noch. Wahrscheinlich war Onkel Willy mal wieder volltrunken.
    Während George die Buchungen durchführte, hörte er, wie seine Frau im Schlafzimmer ein paar Sachen zusammenpackte.

12. Bournemouth
     
    Der Zustand ihrer Mutter sei sehr kritisch, wurde Vicky am Telefon mitgeteilt, als sie in Heathrow gelandet waren. Die Abfertigungsprozedur kam ihr heute viel langsamer vor als sonst. Sie ließ sich neben George auf den Beifahrersitz des Mietwagens fallen und nach Bournemouth fahren. Ihre Hände waren feucht, ihr Magen flatterte und in ihrem Mund sammelte sich der Speichel. Hitzewellen ließen das Blut in ihren Ohren klingeln. So also fühlte sich Todesangst an. Bitte, bitte, lieber Gott, lass sie leben, betete Vicky stumm, obwohl sie sich nicht als gläubige Christin bezeichnet hätte. George fuhr stumm und konzentriert über die M3, die an diesem Samstagmorgen noch nicht so stark befahren war wie sonst. Es tat Vicky gut, ihn neben sich zu haben. Sie wäre nicht in der Lage gewesen, Auto zu fahren.
    Immer wieder warf sie einen Blick auf die Uhr, es schien überhaupt nicht voranzugehen. Vicky hatte das Gefühl, als säßen sie seit zehn Stunden in diesem Auto. Endlich kam das Ortsschild von Ringwood in Sicht. Jetzt war es nicht mehr weit, die Heimat war zum Greifen nah.
    „Ich lasse dich vor dem Haupteingang aussteigen und suche dann einen Parkplatz“, sagte George, als sie in die Castle Lane East einbogen. Vicky nickte, unfähig zu sprechen. Kaum hatte George den Wagen vor dem riesigen Flachbau zum Stehen gebracht, sprang Vicky auch schon hinaus.
    Das Erste, was sie sah, als sie das Foyer betrat, war ein zusammengesackter Onkel Willy in der Sitzecke. Die Welt beschleunigte auf zwei Umdrehungen pro Minute.

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