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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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schnaufen. Die alte Mrs. Dee, wie alle sie hier nannten, war seit Jahren hinter Onkel Willy her. „Wie lange wird es noch dauern, bis wir ins Haus können?“, fragte sie die Polizistin.
    „An Ihrer Stelle würde ich mir vorerst ein Hotelzimmer nehmen“, sagte Ferguson.
    „Dann sind wir erst mal bei Mrs. Dzembritzki und werden uns von dort aus ein Hotelzimmer organisieren. Wir werden Ihnen dann Bescheid geben, wo wir zu erreichen sind“, sagte George und legte den Arm um seine Frau.

14. Fiona
     
    Seiner Erfahrung nach benötigten die meisten Familien genau zwanzig Minuten nach einer Beerdigung, um sich endgültig zu zerstreiten. George saß inmitten der Gemeinde seiner Schwiegermutter, die sich im Vorraum der Kirche um eine lange Tafel versammelt hatte. Freunde und Nachbarn waren nach dem Gottesdienst eingeladen worden, sich an Tee und Sandwiches zu bedienen. George fühlte sich in etwa so dazugehörig wie beim Besuch einer Moschee in Istanbul. Das rege Gemeindeleben seiner Schwiegermutter war ihm immer ein wenig suspekt gewesen, was vor allem daran lag, dass George aus einer Familie von bekennenden Atheisten stammte, die sich, für seinen Geschmack immer noch viel zu häufig, ausschließlich bei offiziellen Anlässen begegneten. Charity, das waren für seine Familie endlose, gesetzte Dinner, vor denen man sich nicht drücken konnte und von denen man sich am Schluss durch einen großzügigen Scheck loskaufte.
    Vicky, eingekeilt zwischen zwei älteren Frauen, warf ihm einen hilflosen Blick zu. Das gesamte Ausmaß von Fionas Engagement in dieser Gemeinde schien auch sie zu verblüffen. Offensichtlich hatte sich Fiona mehr und mehr in der Baptistengemeinde engagiert, nachdem Victoria nach London gezogen war.
    „Wir wissen gar nicht, wie wir weitermachen sollen“, sagte eine Frau am Kopfende des Tisches. „Niemand von uns hat ein so großes Wohnzimmer, dass wir uns darin jeden Freitag zum Hauskreis treffen könnten. Es war immer so schön bei Fiona.“
    George nickte ergeben. Du liebe Güte, was denn noch alles. Hauskreis, Bibelstunde, Seniorengruppe, Gottesdienste mit Kaffeeklatsch, Abwaschdienst, Eindeckdienst, Alte betreuen, Essen für Bedürftige vorbereiten …
    „Sie war eine Stütze unserer Gemeinde“, sagte der Pfarrer.
    „Das kann ich mir gut vorstellen“, murmelte George.
    „Sie war so ein gutes Herz, mein Lass, mein Lass“, sagte Onkel Willy. „Kein leichtes Leben, nicht wahr, kein leichtes Leben. Der Vater, was mein Bruder war, abgeschossen von den Krauts, die Mutter, das arme Ding, hat das Kind ganz allein durchbringen müssen, mit der kleinen Witwenrente. Nichts gelernt, nicht wahr, nichts gelernt. War ja damals so, mit den Frauen. Unsereins lernte einen ordentlichen Beruf. Die Mädchen lernten sticken. Andre Zeiten, damals, andre Zeiten.“
    „Und trotzdem hat sie ihre Tochter zu einem rechten Menschen erzogen. Was die Frauen damals alle geleistet haben, das war schon enorm“, sagte eine Frau, die in etwa in Onkel Willys Alter war.
    „Ja, ein rechter, ein aufrechter Mensch, das war Fiona wirklich“, sagte der Pfarrer, dessen geplatzte Äderchen auf der Nase von einer heimlichen Leidenschaft erzählten. „Hilfsbereit zu jedermann, auf Fiona konnte man zählen.“
    „Sie hat sich für jeden aufgeopfert“, stimmte Victorias Nachbarin zur Linken zu, in der George Sarah erkannte, Fionas Freundin und Nachbarin von schräg gegenüber. „Wissen Sie eigentlich“, sagte sie zu George und beugte sich so nah zu ihm herüber, dass er ihr in ihren gewaltigen Ausschnitt gucken konnte, „dass ihr Spitzname bei uns Mrs. Nightingale war? So lange ich Fiona kenne, und das sind nun – ach, ich mag gar nicht dran denken – also auf jeden Fall, seitdem sie mit ihrem Mann in unsere Straße gezogen ist, so lange hat Fiona sich immer für irgendjemanden aufgeopfert. Ihr Mann war ja damals schon so krank, sie hat ihn im Krankenhaus kennengelernt, müssen Sie wissen, wo sie ihn als Krankenschwester betreut hat. Hab ihn kaum gekannt, ihn hat man ja so gut wie nie gesehen, nachdem er das Haus gekauft hatte. Er war immer bettlägerig, Krebs, müssen Sie wissen, Darmkrebs, nicht schön, wirklich. Sie hat ihn geheiratet, obwohl sie gewusst hat, dass er unheilbar krank war. Trotzdem war er ihre große Liebe, Fiona hat nie wieder einen anderen Mann angeguckt, nachdem John so früh gestorben war. Sie hat geglaubt, dass das Kind, unsere Vicky, ihm neuen Lebensmut geben würde. Weißt du , hat sie mir mal gesagt,

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