Das 5. Gebot (German Edition)
können?“
„Ja, habe ich, Leo.“
„Dann nichts wie zurück in seine Arme, Häseken.“
Als Vicky aufgelegt hatte, konnte sie sich kaum mehr auf den Beinen halten, ihre Knie zitterten wie der Wackelpudding ihrer Mutter, mit dem sie ihre Geburtstagsbüfetts gestaltet hatte.
George hatte wohl gehört, dass ihr Telefonat beendet war, und kam auf die Terrasse. „Leo lebt?“, fragte er.
Vicky konnte nur noch nicken. „Bitte, ich kann nicht mehr. Kann ich mich hier nicht ein paar Minuten ausruhen?“
George nickte. „Ja, das hast du dir wirklich verdient.“ Er nahm ihr das Telefon ab und ging damit in den Wintergarten. „Meine Frau braucht ein wenig Ruhe“, hörte sie ihn sagen. Gerhard rief seine Haushälterin an, sie solle eine Decke auf die Terrasse bringen.
Vicky fielen die Augen zu. Sie wurde von dem Klingeln des Telefons geweckt. Dann hörte sie, wie Gerhard Grunwald zu seiner Haushälterin sagte: „Stellen Sie durch.“
Vicky erhob sich und ging in den Wintergarten, in dem George, Gerhard Grunwald und der Mann saßen, der sie vorhin im Taxi entführt hatte. Sie setzte sich wieder in den Rattansessel und musterte Gerhard Grunwald, der von dem Festnetztelefon aus telefonierte.
Ihr Entführer stand auf und reichte ihr die Hand. „Darf ich mich vorstellen, Peter Neumann. Tut mir leid, dass ich vorhin Ihre Anweisung nicht annehmen konnte. Ich bin der Sicherheitschef von Herrn Grunwald“, sagte er auf Englisch. Vicky blickte in das Gesicht des nicht mehr ganz jungen Mannes und entschied, dass sie ihn sympathisch fand.
Sie hörte, wie der Alte sich am Telefon für die Information bedankte. Er legte den Hörer auf und schwieg einen Moment. Dann sagte er: „Die Polizei hat mich soeben davon in Kenntnis gesetzt, dass mein Neffe sich in unserer Firma erschossen hat. Man hat einen Abschiedsbrief gefunden, in dem er zugibt, erhebliche Summen von Firmengeldern unterschlagen zu haben.“ Grunwald warf Peter Neumann einen Blick zu. Es war Vicky nicht entgangen, dass dieser kaum merklich genickt hatte.
Es klingelte. Kurz darauf führte Frau Birkholz Dominique in den Wintergarten. Vicky stand auf und umarmte ihn. „Verzeih mir, ich wollte dich nicht erschrecken. Und stell dir vor, Leo lebt! Er hat geglaubt, wir hätten den Unfall gehabt!“
Dominique nahm Vicky in den Arm. „Ich weiß, das wollte ich dir eben auch sagen. Ich habe gerade in der Le Monde gelesen, dass die baskische Untergrundorganisation ETA sich zu einem Anschlag in Lyon auf das Fahrzeug eines Staatsanwaltes bekannt hat. Der Staatsanwalt, der gegen die ETA seit Jahren ermittelt hat, ist in seinem dunkelgrauen SUV verbrannt.“
„Wie furchtbar! Und uns hat das zu Tode erschreckt“, sagte Vicky. Sie stellte Dominique vor. Umgekehrt hätte sie Schwierigkeiten gehabt.
Frau Birkholz servierte eine Platte mit Häppchen und eisgekühlte Getränke.
„So, nun wollen wir aber ganz genau hören, was passiert ist“, sagte Gerhard Grunwald.
„Wo sollen wir anfangen?“
„Vielleicht am Anfang. Ich habe gehört, dass du über die Leiche deiner Schwester gestolpert bist.“
„Ja“, sagte Vicky, „das war wohl der Anfang. Und dann starb meine Mutter an den Folgen eines Raubmords, und ich habe in Poole nur knapp einen Autounfall überlebt.“
„Damit begann er wohl, euer Wettlauf mit dem Tod“, sagte der Alte und zog ein Papier aus der Tasche. „Ich habe hier das unterschriebene Geständnis meines Neffen, dass er von einem Detektiv namens Winter angerufen worden sei. Dieser teilte ihm mit, dass eine Frau namens Isabelle Girard bei ihm aufgetaucht sei und nach ihrer Familie suche. Auf die Frau passten alle Daten, die er von meinen Enkelinnen hatte. Er wollte mich damit nicht erschrecken, weil es ja noch nicht sicher war, dass es sich bei der Frau um eine der verschwundenen Zwillinge handelte. Erstaunlich, wie viel falsche Rücksicht Menschen nehmen, bloß, weil man das Haltbarkeitsdatum überschritten hat.“ Grunwald räusperte sich. „Daraufhin bekam mein Neffe Angst um seine Erbschaft und beauftragte ein polnisches Unternehmen mit der Beseitigung von Isabelle Girard. Und dann bist du ihm unter die Augen gekommen, offensichtlich Birgits Zwillingsschwester Manuela. Daraufhin hat er das polnische Unternehmen beauftragt, Manuela durch die Beseitigung ihrer Mutter nach England zu locken und dort ebenfalls per Unfall sterben zu lassen. Als das nicht klappte, begann eine wilde Jagd auf dich, von der du uns sicher noch einiges erzählen
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