Das 5. Gebot (German Edition)
Zettel mit der Adresse. „Sei lieb zu dem Alten, der ist wirklich großartig“, flüsterte er ihr zu. Er sah sie aufmerksam an. Sie war aschfahl. „Um Gottes willen, Schatz, ich glaube, du musst ins Bett.“
„Nein, ich muss Ian anrufen. Mir ist schlecht vor Angst, George.“
George legte einen Arm um seine Frau. „Ich verstehe. Komm, ich bleibe bei dir.“
„Nein, das muss ich allein erledigen.“
Als George gegangen war, ließ sie sich von der Auskunft zunächst mit dem Hotel Hyatt verbinden. Dominique war auf dem Zimmer und am Rande eines hysterischen Anfalls.
„Verdammt noch mal, wo warst du, ich habe mir fast in die Hose geschissen! Du hast mir versprochen, hier zu bleiben, und ich stehe auf und Madame ist einfach verschwunden. Spinnst du eigentlich?“, schrie er ins Telefon.
Vicky versprach, ihm alles zu erklären, er solle sich einfach ein Taxi in die Terrassenstraße nehmen. Sie gab ihm die Adresse. Das war der leichtere Teil.
Mit zitternden Händen wählte sie Ians Telefonnummer. Wo war er jetzt eigentlich? Wie viel Uhr war es dort, wo er war? Sie konnte nur hoffen, dass sie ihn nicht auch noch mitten in der Nacht aus dem Bett warf.
„Ja“, bellte er ins Telefon. Ian, wie sie ihn kannte. Kein Wort zu viel. Immer barsch, jedenfalls zu ihr.
„Hier ist Vicky“, sagte sie zaghaft. „Vicky McIntosh.“
Das andere Ende der Leitung brüllte sie stumm an.
„Ian?“
Er blieb immer noch stumm. Sie hatte schon Angst, dass die Verbindung unterbrochen worden war.
„Ian, hörst du mich?“
„Jetzt ist es so weit. Jetzt höre ich Stimmen. So weit ist es gekommen. Ihr macht mich alle verrückt. Wer spinnt hier? Ich? Leo? Leo!“
„Ian, hör mir zu, es ist was mit Leo passiert!“
„Verfluchte Scheiße, ich weiß, dass etwas mit Leo passiert ist. Der ist komplett durchgeknallt. Das ist passiert. Von den Toten auferstanden. Verfluchte Scheiße. Leo! Komm sofort her!“
Vicky hielt den Hörer von sich und fragte sich, was da gerade abging. Sie hörte es aus dem Hörer brüllen: „Leo, komm sofort ans Telefon, Vicky ist dran!“
Vicky spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie schluckte, Galle kam hoch, sie schluckte die Galle runter. Dann hörte sie die geliebte Stimme: „Vicky? Häseken, sag was, komm, sprich mit deinem Löwen!“
„Leo, Leo, du lebst, du bist nicht mit dem Auto explodiert?“
„Wieso ich, ich dachte, ihr seid … Oh Gott, Vicky, was ist das schön, deine Stimme zu hören. Mir ist ganz schwummerig, Ian, Vicky lebt!“
„Leo, du bist nicht mit dem Mietwagen aus dem Parkhaus gefahren?“
„Vicky, Häseken, ich bin so froh, deine Stimme zu hören. Nein, ich bin nicht direkt ins Parkhaus gegangen. Du hast gesagt, dass du deine Ruhe haben willst, da dachte ich, ich könnte noch ein wenig unten am Fluss bummeln und vielleicht in der Altstadt eine Kleinigkeit essen. Und dann sah ich, wie ein grauer SUV auf der Brücke explodiert ist, genau so einer, wie Dominique ihn fuhr. Vicky, Vicky, ich war so sicher, dass die irgendwas an Dominiques Wagen manipuliert hatten, mir fiel das Geräusch ein, das wir aus dem Keller in Dominiques Haus gehört haben. Ich hab dann im Hotel angerufen, aber dort bist du nicht aufgetaucht. Und auch Dominique ist nicht nach Hause gekommen. Ich habe noch eine Stunde gewartet unten am Quai. Dann bin ich mit einem Taxi zum Bahnhof, wo ich den nächsten Zug nach Budapest genommen habe. Ian hat heute hier eine Vernissage. Ich wollte nur noch zu Ian und so schnell wie möglich weg aus Lyon.“
„Oh, Leo, wie schön, mir ist ganz schlecht vor Glück, dass du noch lebst. Ich liebe dich, Leo, ich liebe dich so sehr.“
„Wo bist du, Häseken?“
„Angeblich bei meinem Großvater. Ich werde wohl gleich mehr erfahren. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob ich das will. Jetzt, meine ich.“ Vicky fing an zu schluchzen. Vor Erleichterung, vor Freude, darüber, dass Leo lebte.
„Leo, grüß mir Ian. Ich dachte, ich müsste ihm jetzt mitteilen, dass du bei einem Unfall ums Leben gekommen bist. Oh Leo, Leo, Leo.“ Vicky konnte nicht mehr reden, so sehr schluchzte sie.
„Dann war das gar nicht euer Auto, das da in die Luft geflogen ist“, stellte Leo fest.
„Nein, und unser Mietwagen war es auch nicht. Wir dachten, sie hätten unseren Mietwagen in die Luft gesprengt. Dominique hat mich daraufhin sofort nach Berlin gebracht.“
„Brauchbarer Junge, grüß ihn von mir. Hast du dein Ehegespons inzwischen wieder in die Arme schließen
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