Das 5. Gebot (German Edition)
trinken?“, fragte Michael.
„Ich bin nicht hier, um Höflichkeiten auszutauschen“, sagte Gerhard. „Ich habe dir einige Papiere auf deinen Schreibtisch gelegt. Ich möchte, dass du einen Blick darauf wirfst.“ Er zeigte mit der gesunden Hand auf die aufgereihten Papiere. Neumann hatte eine Aufstellung aller unterschlagenen Summen gefertigt. Einfach, klar und für jeden auf den ersten Blick verständlich. Michael war sichtbar um zwei Töne blasser geworden.
„Äh, äh, du weißt?“, stotterte er.
„Hältst du mich für einen Idioten? Ich wusste es vom ersten Tag an, als du anfingst, die Firma zu betrügen. Neumann hat mich auf dem Laufenden gehalten. Ja, da staunst du, der alte, ausrangierte Neumann. Du konntest allen ein X für ein U vormachen, aber nicht unserer guten alten Abteilung für Sicherheit.“
„Aber, warum …“
„Warum ich dich nicht zur Rede gestellt habe? Ich wollte sehen, wie weit du gehen würdest. Was du anstellen würdest, um das wieder in Ordnung zu bringen. Dass du mit deinem Erbe gespielt hast, war dir doch wohl klar, oder?“
Michael senkte den Kopf. „Ich wollte doch nur Mamas Erbe zurückholen“, sagte er.
„Ich weiß.“ Gerhard nickte. So in etwa hatte er sich das gedacht. „Leider dumm gelaufen.“
„Ja.“
Sie starrten sich über den großen Schreibtisch hinweg an.
„Und jetzt?“, fragte Michael. „Kann ich das wiedergutmachen?“
Gerhard lächelte. „Ja.“ Er holte den Revolver aus seiner Tasche und richtete ihn auf Michael. „Ja, das kannst du wiedergutmachen. Doch das macht Birgit auch nicht wieder lebendig.“
„Um Gottes willen, Onkel Gerhard! Willst du mich umbringen?“
„Am liebsten ja.“ Gerhard war ganz ruhig, die Waffe in seiner gesunden Hand zitterte kaum.
60. Zehlendorf
„Hände hoch“, sagte der Mann hinter dem Gewehr. In diesem Moment hechtete der Schatten an ihr vorbei und stieß den alten Mann zu Boden. Das Ganze war so schnell gegangen, dass Vicky es kaum mitbekommen hatte. Was ging hier vor? Sie musste weg, nach vorn ging es nicht weiter, dort kämpften zwei Männer um ein Gewehr. Also den Rückzug antreten, dachte Vicky und kroch zurück durch den Zaun. Ein Schuss löste sich. Vicky hörte ihn, wusste, dass da jemand geschossen hatte, auf wen geschossen hatte, auf sie? Sie musste raus aus diesem Garten, einfach laufen, weglaufen, egal wohin, sie brauchte Schutz – Schutz vor wem eigentlich? – egal, nur einfach weg.
Wo sollte sie hin? Zurück in die Wohnung? Der Taxifahrer wartete draußen noch. Hoffentlich. Sie rannte durch die Büsche zurück auf das Gartengrundstück ihres Hauses. Sie würde durch die Tiefgarage müssen, durch den dunklen Kellergang, anders kam man nicht auf die Straße, sie hatte Angst vor dieser Tiefgarage, wo es so viele Möglichkeiten gab, sich zu verstecken, oder sollte sie den Wagen nehmen, der unten geparkt war? Warum hatte George den stehen lassen? Er wird sich was dabei gedacht haben ... Sie hörte Schritte hinter sich, das Laub raschelte, jemand schnaufte, sie drehte sich um, sah einen älteren Mann laufen, hörte, wie jemand laut schimpfte, konnte die Worte nicht verstehen, sie rannte die Treppe zur Tiefgarage hinunter, öffnete die Tür, hatte keine Zeit, das Licht anzumachen, ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen, rannte durch diese dunkle Schneise, öffnete die Seitentür und prallte gegen einen Menschen. Vor Schreck sackte sie in sich zusammen.
61. Michael
„Wir haben noch ein Schreiben vorbereitet. Mit einem Geständnis.“
„Ich unterschreibe alles, bitte nimm die Waffe weg“, flehte Michael.
„Bist du sicher?“, fragte Gerhard. „Auch die Mordaufträge an Krzysztof?“
Michael schaute ihn fassungslos an. „Woher weißt du das?“
„Du bist so unglaublich dämlich. Dein Detektiv Winter hat bestätigt, dass er dir vor einigen Jahren mal von Krzysztofs Unternehmen erzählt hat. Und dass er dich angerufen hat, als Birgit ahnungslos bei ihm auftauchte.“
„Dieses Arschloch. Der hat versucht, mich zu erpressen!“
„Irrtum, hat er nicht. Ich bin Onkel Otto. Ich brauchte eine Bestätigung, dass du hinter der ganzen Sache stecktest. Und du hast nach Drehbuch funktioniert.“
„Wie meinst du das?“
„Krzysztof hat ein gewinnorientiertes Unternehmen. Gegen gute Bezahlung bekommt man dort alles. Auch Auskünfte. Also los, unterschreib!“ Gerhard Grunwald hielt immer noch die Waffe auf seinen Neffen gerichtet.
„Das machst du nicht, Onkel Gerhard“,
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