Das achte Opfer
dem Zettel nicht erwähnt habe, bleibt vorläufig allein mein Geheimnis. Ich sage Ihnen aber, daß es nicht zu unserem Nachteil sein wird. Vertrauen Sie mir einfach, bitte.«
»Aus Ihnen soll einer schlau werden«, sagte Berger kopfschüttelnd. »Sie hätten uns leicht in Teufels Küche bringen können, ist Ihnen das klar?«
»Ja, Chef, das ist mir klar. Aber lassen Sie uns im Präsidium über alles reden. Ich habe das Gefühl, dieses Haus hat Ohren.«
Sie begaben sich zu ihren Autos, stiegen ein, die Sonne hatte das Wageninnere aufgeheizt.
»Ich kann diese Schweiger nicht leiden«, sagte Julia Durant, als sie mit Hellmer allein im Wagen saß. »Du hast recht, diese Frau ist tatsächlich kalt bis ins Mark. Und ich möchte wetten, sie wird keinen Finger rühren, um irgendwelche korrupten Stellen aufzudecken. Es könnte ja immerhin ein dunkler Schatten auf die Polizei und damit auch auf sie fallen. Da gibt es nur ein Wort: Scheiße!«
Donnerstag, 14.35 Uhr
Cicero nahm die Aktentasche, die neben seinem Schreibtisch stand, warf einen letzten Blick durch das Fenster auf das weit unter ihm liegende Frankfurt, drehte sich um und schloß die Tür hinter sich. Er verabschiedete sich von seiner Sekretärin, sagte, er würde heute nicht mehr ins Büro zurückkommen, sie sollte aber unbedingt alle Briefe, die er am Morgen diktiert hatte, schreiben und sie zur Unterschrift auf seinen Schreibtisch legen. Er fuhr mit dem Aufzug in die Tiefgarage, ging mit langsamen Schritten zu seinem Jaguar, öffnete die Zentralverriegelung mit der Fernbedienung, stieg ein. Er legte den Sicherheitsgurt an, startete den Motor, fuhr aus der Garage. Sein Termin war um Viertel vor drei in einem Café in der Nähe der Alten Oper. Er parkte den Wagen in der Neuen Mainzer Straße, schloß ab und ging etwa hundert Meter bis zu dem Café.
Das Café war etwa zur Hälfte besetzt, sie saß an einem Tisch in der rechten hinteren Ecke, wo man sich ungestört unterhalten konnte. Er ging direkt auf sie zu, reichte ihr die Hand. »Hallo, Judith«, sagte er und stellte den Aktenkoffer auf den Boden neben seinen Stuhl.
»Schön, dich zu sehen.« Er setzte sich der Frau gegenüber, ihre braunen Augen waren auf sein Gesicht gerichtet. Er fand, sie hatte ein markantes Gesicht, mit vollen, sinnlichen Lippen und leicht hervorstehenden Wangenknochen, das einzige, was ihn immer störte, war ihr Blick, der sich von einer Sekunde zur anderen von warm und sanft in kalt und unberechenbar wandeln konnte. Obwohl er sie jetzt schon seit mehr als zehn Jahren kannte, hatte er nie hinter die Fassade ihres beinahe makellosen Gesichtes zu blicken vermocht. Er wußte nicht, was sie dachte, was sie fühlte, es war,als hätte sie vollkommene Kontrolle über alle ihre Gefühle. Sie war eine attraktive, begehrenswerte Frau, und er wußte, daß sie nie verheiratet gewesen war, ihm waren lediglich einige kurze Affären bekannt.
Eine junge Kellnerin trat an ihren Tisch und nahm die Bestellung auf.
»Einen Tee für mich und ein Stück Käsetorte und einen Kaffee und ein Stück Obsttorte für die Dame«, sagte er.
Judith zündete sich eine Zigarette an, beugte sich nach vorn, die Ellbogen auf den Tisch gestützt. Mit gedämpfter Stimme sagte sie: »Okay, dann laß mal hören, was du so rausgefunden hast. Ich habe nämlich keine Lust, eines Tages so zu enden wie Matthäus oder Neuhaus. Wer kann nur so wahnsinnig sein, sich gegen die Organisation zu stellen?«
Cicero lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander, den linken Zeigefinger an die Unterlippe gelegt. Er machte ein ernstes Gesicht.
»Es gibt einige, die sich gegen die Organisation stellen. Ich habe zum Beispiel einige undichte Stellen bei uns ausgemacht.«
Judith lachte leise auf. »So etwas habe ich doch heute schon einmal gehört. Natürlich gibt es überall undichte Stellen, und die meisten davon sind durch uns undicht geworden.«
»Ich spreche hier nicht von der Polizei oder anderen Beamten. Ich spreche von der Organisation. Der Heroindeal zum Beispiel – woher wußte die Polizei am Mittwoch morgen schon von dieser Sache? Es kann nur einer von uns gewesen sein. Und ich habe sogar einige Namen, die in Frage kommen. Sie sind hier in meinem Koffer.«
»Und wer ist es?« fragte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln, als wüßte sie bereits, wer der anonyme Informant war.
»Nicht hier und nicht jetzt. Wir sollten in Ruhe darübersprechen und danach die Spitze informieren. Die sollen entscheiden, wie das
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