Das achte Opfer
Staatsanwältin schürzte die Lippen, ein kaum merkliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Aber gerade eben sprachen Sie davon, daß er vielleicht noch ein- oder zweimal zuschlägt. Was nun, schlägt er wieder zu oder nicht?«
»Das, Frau Oberstaatsanwältin, wissen die Götter. Und der Täter. Ach ja, und wenn wir schon dabei sind, dann wissen Sie sicher auch, daß gestern eine Drogenlieferung in großem Umfang um halb vier Uhr nachmittags auf Rhein-Main landen sollte. Wir haben den Zoll morgens darüber informiert, doch die Lieferung kam nicht. Statt dessen traf sie mehr als drei Stunden später mit einer anderen Maschine ein und ist sofort abgeholt worden. Von wem, das wissen wir bis jetzt nicht. Nur scheint es so, daß es beim Zoll oder auch im Rauschgiftdezernat undichte Stellen gibt. Ebenso scheint es mir sehr verwunderlich, daß in den letzten zwei Jahren die Erfolgsquote bei Razzien, wo es um Waffen, Drogen oder Menschenhandel ging, rapide nach unten gegangen ist, was den Schluß zuläßt, daß auch bei der Sitte und beim OK etwas nicht stimmt.« Die Kommissarin machte eine Pause, beobachtete jede Reaktion im Gesicht der Staatsanwältin, die ihre Hände gefaltet hatte und ihre Fingernägel zu betrachten schien.
Nach einer Weile fragte sie, ohne aufzublicken: »Woher hatten Sie die Information mit dem Rauschgift?«
»Ein anonymer Anrufer.«
»Woher wollen Sie dann wissen, daß überhaupt Rauschgift auf Rhein-Main umgeschlagen wurde oder besser gesagt umgeschlagen werden sollte?«
»Weil mein Informant mich vorgestern abend anrief und es mir mitteilte. Und dieser Mann hat schreckliche Angst um sein Leben und um das seiner Familie. Er wollte sich mit mir treffen, doch er erschien nicht zum abgemachten Zeitpunkt.«
»Und Ihre Anspielung auf die Dezernate für Organisierte Kriminalität und Sittendelikte – wollen Sie damit sagen, daß Sie gewisse Beamte für korrupt halten?«
»Ich habe das Wort ›korrupt‹ nicht in den Mund genommen, ich habe lediglich eine Feststellung getroffen. Aber bitte, wenn Sie es schon ansprechen, vielleicht ist Korruption im Spiel. Und wenn es so ist, dann haben wir einen verflucht langen Bandwurm in unserem Präsidium. Und nicht nur da.« Julia Durant beugte sich nach vorn, die Stirn in Falten gelegt, die Augen zu Schlitzen verengt. »Und ich habe berechtigte Gründe für meine Annahme, die im übrigen auch von meinen Kollegen Berger und Hellmer und einigen anderen geteilt wird. Als die von mir genannten Abteilungen am vergangenen Freitag mehrere Razzien in verschiedenen Häusern in Frankfurt durchführten, waren unter anderem auch mein Kollege Hellmer und ich dabei. Angeblich wurde nach illegalen Prostituierten sowie Drogen und Waffen gesucht. Aber weder das eine noch das andere wurde gefunden. Alle Prostituierten hatten einen gültigen Paß und ein ebenso gültiges Visum, über Waffen und Drogen brauchen wir gar nicht zu reden. Allerdings haben zwei Prostituierte, Lettinnen, darum gebeten, mit mir allein sprechen zu dürfen. Sie haben mir einige höchst interessante Informationen gegeben, was den Bereich desMenschenhandels angeht, in den auch Kinder involviert sind. Ich wollte eigentlich an jenem Abend noch mehr Informationen haben, doch die beiden sagten, sie wollten in Sicherheit gebracht werden und mit mir am folgenden Montag Details besprechen. Ich bat Hauptkommissar Schnell, für die Sicherheit der beiden zu sorgen, was er mir auch zusagte. Sie wurden in einer Wohnung im Oeder Weg untergebracht, doch als ich am Montag nachmittag dort eintraf, waren beide tot. Sie sind nicht vergewaltigt oder mißhandelt worden, sie wurden beide durch einen Kopfbzw. einen Genickschuß praktisch hingerichtet: Die Frage ist, wer außer Schnell wußte alles von dem angeblich geheimen Aufenthaltsort von Natascha und Tatjana? Wer außer Schnell und mir kannte das ausgemachte Klingelzeichen? Die Tür war nämlich nicht aufgebrochen, was bedeutet, daß eine der Frauen dem Mörder die Tür arglos geöffnet hat.«
»Sie sprechen hier immerzu von Hauptkommissar Schnell. Wollen Sie damit etwas Bestimmtes ausdrücken?«
»Nein, ich werfe nur ein paar Fragen auf, mehr nicht. Und ich stelle fest, daß einiges doch sehr seltsam gelaufen ist.«
»Haben Sie mit Schnell gesprochen?«
»Er gab sich sehr bedeckt und wies jeglichen Vorwurf weit von sich. Aber Sie werden zugeben müssen, etwas stimmt hier nicht. Ob Schnell in eine krumme Sache verwickelt ist oder einer seiner Mitarbeiter oder
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