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Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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letzten, verächtlichen Blick auf den auf dem Boden Liegenden und verließ das Zimmer. Er gelangte unbemerkt nach unten, durchquerte die Eingangshalle und begab sich zu seinem Wagen. Bevor er nach Hause fuhr, machte er einen Abstecher nach Sachsenhausen. Er hielt vor dem Haus Nummer 6, steckte einen Umschlag in den Briefkasten. Auf der Heimfahrt hörte er Tschaikowsky. Er war müde.

Samstag, 2.15 Uhr
     
    Das Telefon klingelte zwölfmal, bevor Julia Durant den Hörer abnahm.
    »Ja, bitte?« sagte sie mit schläfriger Stimme.
    »Hauptkommissarin Durant?«
    »Ja, wer spricht denn da?«
    »Sehen Sie bitte in Ihrem Briefkasten nach.« Danach legte der Anrufer auf.
    Julia Durant brauchte einen Moment, um zu sich zu kommen, zog sich dann aber schnell Leggins und ein T-Shirt über und rannte hinunter zum Briefkasten. Sie holte den Umschlag heraus, riß ihn auf und las den Zettel.
Liebe Kommissarin Durant,
    dies ist der letzte Brief, den Sie von mir erhalten. Wenn Sie wissen wollen, wer ich bin, dann gehen Sie und Ihre Kollegen einmal sämtliche Vermißtenmeldungen aus dem Raum Frankfurt/Friedberg der letzten sieben Jahre durch, die Kinder und Jugendliche bis zwanzig Jahre betreffen. Es dürfte Ihnen nicht schwerfallen, dabei auf meinen Namen zu stoßen. Wir sehen uns.
     
    Ihr Cicero
     
    PS: Es ist vollbracht. Die Bösen wurden ihrer gerechten Strafe zugeführt, unschuldig vergossenes Blut gesühnt.
    Mit zittrigen Fingern wählte sie die Nummer von Berger. Es dauerte eine Weile, bis er abhob und sich mit schläfriger Stimme meldete.
    »Hören Sie«, sagte Julia Durant, »er hat wieder zugeschlagen und mir eben einen Brief in den Kasten gesteckt. Er schreibt, wir sollen sämtliche Vermißtenmeldungen der letzten sieben Jahre aus dem Raum Frankfurt durchgehen, die Kinder und Jugendliche bis zwanzig Jahre betreffen. Wir würden dabei zwangsläufig auf seinen Namen stoßen.«
    »Wir treffen uns um sieben im Präsidium. Geben Sie Hellmer Bescheid, ich rufe Kullmer an.«
    Die Kommissarin wählte die Nummer von Hellmer, doch der meldete sich nicht. Sie versuchte es unter seinem Handy, wo sie ihn auch erreichte.
    »Hier Julia. Hör zu, wir sollen um sieben im Büro sein. Ich hab einen Brief bekommen. Wir werden noch heute wissen, wer hinter den Morden steht.«
    »Um sieben? Verdammt, ich bin gerade eben erst eingeschlafen.«
    »Das ist nicht mein Problem. Ab morgen kannst du schlafen, soviel du willst. Wo bist du überhaupt?«
    »In einem Hotel. Mehr verrat ich nicht. Wir sehen uns nachher.«
    Sie legte auf, ging ans Schlafzimmerfenster, zündete sich eine Zigarette an. Sie war innerlich aufgewühlt, ihre Hand, in der sie die Zigarette hielt, zitterte. Sie rauchte zu Ende, ging zur Toilette, holte dann aus dem Kühlschrank eine Dose Bier, riß den Verschluß auf und trank in kräftigen Schlucken. Sie setzte ab, rülpste leise, trank danach den Rest aus. Sie legte sich wieder ins Bett, doch es dauerte über eine Stunde, bis sie einschlief. Es war kurz vor vier.

Samstag, 6.30 Uhr
     
    Julia Durant hatte geduscht, etwas Make-up und Lippenstift aufgelegt, eine Scheibe Brot mit Marmelade gegessen und eine Gauloise geraucht. Sie lief die Treppe hinunter, zog die Zeitung aus dem Briefkasten, setzte sich ins Auto. Um Viertel vor sieben war sie im Büro, das erste Mal seit langem, daß sie vor Berger da war. Er erschien fast zeitgleich mit Hellmer und Kullmer um sieben. Sie hatte sich inzwischen in die Vermißtenkartei des Computers eingeloggt, ging Name für Name durch.
    »Und«, fragte Berger, während er um seinen Schreibtisch herumging und seinen massigen Körper auf den Stuhl hievte, »schon etwas gefunden?«
    »Bis jetzt nicht«, erwiderte die Kommissarin. »Aber er schreibt, wir würden unweigerlich auf seinen Namen stoßen. Es muß sich um jemanden handeln, der innerhalb der vergangenen sieben Jahre ein Kind verloren hat.«
    »Wo sind Sie jetzt?« fragte Berger.
    »September siebenundneunzig.«
    »Okay, dann fange ich bei Dezember sechsundneunzig, Sie, Kollege Hellmer, bei Dezember fünfundneunzig und Sie«, er deutete auf Kullmer, »bei Dezember vierundneunzig an. Mal sehen, auf was für einen interessanten Namen wir dabei stoßen.«

Samstag, 6.15 Uhr
     
    Er hatte fast die ganze Nacht wach gelegen und sie in seinem Arm gehalten. Sie schlief, während er unentwegt an die vergangenen Wochen dachte und daran, daßjetzt alles vorüber war. Er dachte an Carla und Patrick, an das verlorene Paradies. Er dachte, was hätte sein

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