Das achte Opfer
wir noch die restliche Liste durchgehen. Ich will jetzt nicht auf gut Glück handeln, es könnte immerhin sein, daß es ein Zufall ist«, sagte Berger warnend.
Nach weiteren zwei Minuten sagte Hellmer mit belegter Stimme: »Es ist kein Zufall. Es gibt noch einen. Patrick Dreekmann, vermißt gemeldet am zwanzigsten zehnten zweiundneunzig. Seine Leiche wurde in Friedberg gefunden.Er wurde erschossen. Man fand bei ihm allerdings eine nicht unerhebliche Menge Heroin und etliche tausend Mark in bar. Man ging davon aus, daß er sich in der Dealerszene bewegt hat. Ich schätze, wir haben unseren Mann.«
»Frau Kommissarin, Kommissar Hellmer, fahren Sie zu Dreekmann. Unsere Suche scheint beendet zu sein.«
Julia Durant und Hellmer wollten sich gerade erheben, als das Telefon klingelte. Berger nahm ab, meldete sich. Es war die Notrufzentrale, die mitteilte, daß im Hotel Intercontinental die Leiche eines Mannes namens Winkler gefunden wurde. Seine Kehle war durchschnitten, auf seiner Stirn stand die Zahl 666. »Wir kommen«, sagte Berger und legte auf.
»Kommissar Kullmer, Sie und ich fahren ins Interconti. Ein Toter. Wahrscheinlich der letzte in dieser Serie.«
Samstag, 8.15 Uhr
Julia Durant und Hellmer fuhren schweigend zu Dreekmanns Haus. Das Tor stand offen, sein grüner Jaguar parkte vor der Tür, sie hielten direkt dahinter. Sie stiegen aus, gingen die Treppe hinauf und klingelten. Sie warteten einen Moment, bis die Tür geöffnet wurde. Dreekmann stand vor ihnen, er hatte tiefe Ringe unter den Augen, eine fast leere Flasche Cognac in der linken Hand.
»Kommen Sie rein«, sagte er, »ich habe Sie bereits erwartet. Wenn Sie mir bitte folgen wollen«, sagte er und ging vor ihnen ins Haus und die Treppe hinauf in das zweite Zimmer rechts. Er stellte sich vor das Bett und betrachtete seine Frau.
»Sie ist tot«, sagte er wie in Trance. »Ich habe es nicht mehr ertragen, sie leiden zu sehen. Sie ist und war die schönste Frau, der ich je begegnet bin. Selbst jetzt sieht sie schön aus, finden Sie nicht? Sie besaß alles, was ich mir von einer Frau immer gewünscht hätte, sie war schön, liebevoll und intelligent. Wissen Sie, wir waren eine glückliche Familie. Wir hatten alles, was wir zum Leben brauchten. Und nur der Himmel weiß, weshalb uns dieses Glück genommen wurde. Aber ich habe sie bestraft, einen nach dem anderen. Ich habe gestern abend sogar noch ihren Leitwolf erlegt.«
Julia Durant stellte sich links neben Dreekmann, den berüchtigten Strafverteidiger, während Hellmer rechts von ihm stand. Sie sah auf die schöne Tote, deren Gesicht jetzt entspannt wirkte.
»Heute morgen ist ein Toter im Hotel Interconti gefunden worden. Ein Mann namens Winkler. War er der Leitwolf?« Dreekmann lachte verzeihend auf. »Er heißt nicht Winkler, er hat sich nur unter diesem Namen eingetragen. Der Tote ist Innenminister Bernhardt.«
»Bitte, was?« fragte Hellmer und sah Dreekmann entgeistert an.
»Unser Innenminister?«
»Er war der Kopf der Organisation, zumindest hier im Rhein-Main-Gebiet. Große Aktionen liefen nur mit seiner Zustimmung. Und er hat sich seine Leute sehr gut ausgesucht. Sie sehen ja selber, welche Kaliber sich darunter befinden. Die Organisation ist perfekt durchorganisiert. Fast perfekt. Ich war die einzige Schwachstelle, aber ich war clever. Fast fünf Jahre lang habe ich ihr Spiel zum Schein mitgespielt. Bis ich der Meinung war, es sei an der Zeit, diesen Unrat zu beseitigen. Ich wollte nicht, daß sie noch mehr Unheil anrichten.« Ohne den Blick von seiner Frau zu nehmen, fuhr er fort: »Ich weiß, Sie haben mich immer fürein Schwein gehalten, einen gnadenlosen Rechtsverdreher, dem jedes Mittel recht war, seine Mandanten vor dem Gefängnis zu bewahren. Vielleicht war ich das eine Zeitlang auch, aber ich war nie korrupt, habe nie etwas Illegales getan. Doch irgendwann erlangt man diesen Ruf, und es ist schwer, wenn nicht gar unmöglich, ihn wieder loszuwerden. Bevor ich nach Frankfurt zog, war ich ein ganz normaler Anwalt in Friedberg. Sie wissen schon, Scheidungen, Erbschaftsangelegenheiten und so weiter. Ab und zu habe ich auch die Verteidigung eines Straftäters übernommen, aber hier in Frankfurt habe ich alles darangesetzt, so schnell wie möglich einen gewissen Ruf zu bekommen. Was mir erstaunlicherweise recht bald gelungen ist.« Er machte eine Pause, warf einen letzten, wehmütigen Blick auf seine Frau. »Kommen Sie, gehen wir. Lassen Sie meine Frau abholen, und bitte, führen Sie
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